Das Vereinslokal der Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt liegt im Rabenturm in Wiener Neustadt.

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Man darf die Regierung – oder Teile davon – ruhig einmal auch loben. Die Schreckstarre hat zwar lange gedauert, dazwischen wurde eine Wahl geschlagen, aber nach einer Woche wird ein erster konkreter Schritt gesetzt: Gegen die Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt, die offenbar der NS-Nostalgie anhängt und in ihrem Liedgut offen und besonders grauslich dem Antisemitismus frönt, wird ein Auflösungsverfahren eingeleitet. Das hat der türkise Bundeskanzler Sebastian Kurz mit dem blauen Innenminister Herbert Kickl vereinbart. Ein erster Schritt, immerhin.

Kurz fand dieses Mal für seine Verhältnisse recht klare Worte. Was in besagter Burschenschaft vorgehe, sei widerwärtig, er sei schockiert, und man dürfe hier weder zu- noch wegschauen. Anders noch als vergangene Woche, als Kurz Ethos und Anstand für sich mit den Grenzen des Strafgesetzbuchs definiert hatte, sprach er diesmal auch die politische Verantwortung an. Einer wie Udo Landbauer, Spitzenkandidat der Freiheitlichen in Niederösterreich und führendes Mitglied der Burschenschaft Germania, hätte in seiner Partei keinen Platz. Und an der Stelle der FPÖ wüsste er sehr wohl, was zu tun wäre.

Das ist noch keine Vorgabe, aber doch eine deutliche Empfehlung an seinen Koalitionspartner, Landbauer nicht für tragende politische Ämter in Niederösterreich zu nominieren, weder in der Landesregierung noch im Landtag. So weit war die FPÖ am Mittwoch allerdings noch nicht.

Das Unwohlsein, das Teile des Landes angesichts der rechtsextremen Umtriebe erfasst hat, ist endlich auch in der Regierung angekommen. Die medial geäußerte Kritik, die offenen Briefe, die Künstler und Wissenschafter verfasst haben, die deutlichen Worte des Bundespräsidenten, vor allem aber auch die Mahnungen aus den eigenen Reihen – wie jene von Erwin Pröll – haben bei Kurz ihre Wirkung nicht verfehlt. Seine Distanzierung, seine Verurteilung und sein Ruf nach Konsequenzen, das klingt glaubwürdig.

Der Kanzler muss jetzt noch seinen Koalitionspartner in die Pflicht nehmen, auch aus Eigeninteresse. Was nicht einfach wird: Die FPÖ ist, anders als es ihr Parteichef Heinz-Christian Strache wider besseres Wissen behauptet, ganz eng mit der Burschenschafterszene verflochten. Es liegt jetzt an Strache, auch seine politische Verantwortung wahrzunehmen. Einen ersten, durchaus mutigen Schritt hat er getan, als er beim Akademikerball in einer Ansprache vor den Burschenschaftern den Rassisten und Antisemiten die Türe seiner Partei wies – auch wenn sie diese noch nicht gefunden haben.

Wenn Strache zu einer Art politischer Glaubwürdigkeit finden will, muss er die rechtsextremen Ausflüsse in seiner Partei abdichten. In der Causa Landbauer wird sich die FPÖ nicht um eine klare Entscheidung herumdrücken können. Viel heikler ist es noch, einen neuen Umgang mit den Burschenschaftern zu finden, die einen ganz wesentlichen Einfluss in der Partei haben und diesen auch dazu nützen können, einen Parteiobmann zu halten oder zu demontieren. Schließlich braucht es eine Historikerkommission, die die Geschichte der Partei aufarbeitet und einen Befund zum Istzustand abgibt. Strache hat das bereits angekündigt, jetzt muss es noch glaubhaft umgesetzt werden – auch wenn das für die FPÖ ein äußerst schmerzhafter Vorgang werden dürfte. (Michael Völker, 31.1.2018)