Bonn – Weder russische Flagge noch Hymne, dazu neutrale Kleidung – die Höchststrafe ist dem russischen Behindertensport dadurch diesmal erspart geblieben. Zwar ist das Russische Paralympische Komitee (RPC) weiterhin suspendiert, aber ausgewählte Sportler dürfen an den Paralympics in Pyeongchang als neutrale Athleten teilnehmen. Anders als noch vor zwei Jahren in Rio de Janeiro verzichtet das Internationale Paralympische Komitee (IPC) auf den Komplettausschluss wegen des Staatsdopingskandals.

"Obwohl das RPC suspendiert bleibt, hat es große Fortschritte gemacht, und das erkennen wir an", sagte Andrew Parsons, der neue IPC-Präsident, am Montag in Bonn. Unter dem Namen "Neutrale Paralympische Athleten (NPA)" werden 30 bis 35 russische Behindertensportler bei den Spielen in Südkorea (9. bis 18. März) dabei sein. Die Neutralen werden in Ski Alpin, Skilanglauf, Biathlon, Snowboard und Rollstuhl-Curling sporteln. Zu den Teilnahmekriterien des IPC gehört unter anderem, dass jeder neutrale Sportler sechs Monate vor den Paralympics zwei Dopingtests absolviert haben muss.

Das IPC hatte das RPC im Sommer 2016 suspendiert und die Aufhebung der Sperre an die Erfüllung eines Kriterienkatalogs gekoppelt. Dazu gehören etwa die vollständige Wiederaufnahme der russischen Anti-Doping-Agentur (Rusada) durch die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) sowie eine offizielle Anerkennung des McLaren-Reports, der Russland ein institutionalisiertes Dopingsystem attestiert. Beides ist noch nicht geschehen. Dennoch verteidigte IPC-Präsident Parsons die Entscheidung. "Wir heben die Suspendierung nicht auf, wir erlauben keine russischen Flaggen. Aber wir sind davon überzeugt, dass jeder, der als neutraler Athlet teilnimmt, genauso sauber ist wie jeder andere Sportler", sagte der Brasilianer, der damit auf die Linie des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) einschwenkte.

Für dessen Winterspiele in Pyeongchang (9. bis 25. Februar) sind ebenfalls russische Sportler unter neutraler Flagge zugelassen. Das IOC erlaubt jedoch die Teambezeichnung "Olympische Athleten aus Russland" (OAR).

In der am Montagabend ausgestrahlten ARD-Dokumentation Geheimsache Doping – das Olympia-Komplott bezichtigt Kronzeuge Grigori Rodschenkow Russlands Präsidenten Wladimir Putin der Mitwisserschaft am Dopingbetrug bei den Winterspielen in Sotschi. Der in die USA geflohene ehemalige Rusada-Chef erklärt zudem, dass es schon lange vor 2014 ein Dopingsystem gegeben habe. (sid, red)