Ich bin Europäerin. Österreicherin. Wienerin. Das ist mein Land, das ist mein Zuhause, das ist, wo ich verwurzelt bin, wo ich lebe. Und ich konnte mir bis jetzt nicht vorstellen, jemals woanders leben zu wollen.

Seit den Wahlen im Oktober hat sich das leicht verändert. Da war ich erstmals nicht mehr so sicher, diese Gässchen Wiens, die Pracht des Rings, die kleinen Wiener Kaffeehäuser so sehr zu brauchen, dass ich mich nie mehr von ihnen lösen könnte. Es würde schmerzen, sie loszulassen. Aber es beginnt langsam auch zu schmerzen, sie festzuhalten.

Als ich 1977 nach Österreich kam, war ich eine Immigrantin. Wenn ich Österreich jetzt verlassen müsste, ginge ich ins Exil. Unser Bundeskanzler findet keine klaren Worte, wenn es im Liedgut, das von Teilen seiner Koalitionspartner abgesungen wird, um die angestrebte Ermordung einer weiteren Million Juden geht. Das übliche Verurteilen, gewiss. Aber keinerlei Rücktrittsforderungen. Kein Hinterfragen dieser grenzwertigsten Koalition. Nichts.

Das, was hier an die Oberfläche gespült wurde, stinkt, ist Kloake und Ausscheidung eines verrotteten Systems, und es wird vermutlich kaum Folgen haben. In diesem (für mich in dieser Heftigkeit neuen) Land wird es offenbar bei den Landtagswahlen egal sein, ob man mich und andere wieder vergasen will, wenn auch nur musikalisch.

Dazu passend bricht das Gedenkjahr 2018 an. Die Israelitische Kultusgemeinde wird nicht an staatlichen Feierlichkeiten unter Beteiligung der FPÖ teilnehmen, weil man dort Gefahr liefe, den Verursachern diverser rechtsextremer Sauereien zu begegnen. Nun werden also FPÖ-Burschenschafter den Holocaust öffentlich per Krokodilsträne beweinen, während Betroffene und Überlebende gegen sie protestieren. (Julya Rabinowich, 26.1.2018)