Nur jede fünfte an der Wiener Börse handelbare Aktie befindet sich in Besitz von Österreichern.

Foto: Wiener Börse/Akos Stiller

Wien – Eine Börse gehört zu fast allen Ländern dieser Welt dazu, wie ein Markt, auf dem frisches Obst und Gemüse gekauft wird. Ein funktionierender Kapitalmarkt fördert die Volkswirtschaft. Doch was bedeutet eine unterentwickelte Aktienkultur für eine reiche Industrienation – etwa für Österreich? Dieser Frage ist das Analystenteam der Schoeller Privatbank nachgegangen.

Demnach werden in heimischen privaten Haushalten direkte Aktien in einem Volumen von 26 Milliarden Euro gehalten. Täglich fällige Einlagen stehen hingegen mit 131 Milliarden Euro in der Vermögensbilanz der Österreicher. Dem steht ein Gesamtfinanzvermögen von Herr und Frau Österreicher gegenüber, das bei 638 Milliarden Euro liegt. Direkte Aktienbeteiligungen inklusive jener Papiere, die über Fonds gehalten werden, machen – gemessen am Gesamtfinanzvermögen – also nur vier Prozent aus. Das restliche Kapital der Österreicher schlummert auf Sparbüchern, liegt in Lebensversicherungen, steckt in Bausparprodukten oder in anderen Sparformen – zu historisch niedrigen Zinsen. Welchen Effekt hat die Nichtveranlagung auf die Vermögensbildung?

Zweistellige US-Aktienrendite

Einen großen, wie die Zahlen der Schoeller Privatbank zeigen. Der österreichische Leitindex ATX hat über die vergangenen 30 Jahre eine Rendite (Kurssteigerungen inklusive Dividenden) von 8,75 Prozent erwirtschaftet. Man könnte meinen, ein Zeitraum von 30 Jahren ist noch irgendwie überschaubar, aber was ist mit all den Krisen, die es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder gegeben hat? Hier lohnt ein Blick in die USA. 3900 Unternehmen sind dort derzeit an den Börsen gelistet, mit einem Wert von rund 30 Billionen Dollar. In einer Langzeitbetrachtung seit 1926 liegt die Rendite der US-Aktien bei 10,1 Prozent.

Um es noch anschaulicher zu beschreiben: Wer 100 Dollar im Jahr 1926 in den US-Aktienindex S&P-500 investiert hätte, hätte nun ein Vermögen (samt Dividenden und Zinseszinseffekt) von 634.000 Dollar erworben. Das zeigen Daten einer Studie von Ned Davis Research. Wer sich an US-Staatsanleihen gehalten hätte, könnte nun 14.200 Dollar verbuchen. Goldfans wären mit 5900 Dollar dabei, am Geldmarkt hätten die 100 Dollar 2200 gebracht. Damit ist klar: Die Österreicher lassen ein enormes Vermögenspotenzial liegen.

Blick auf den Wiener Markt

Doch wem gehören dann die Aktien und damit die Anteile der Unternehmen, die an der Wiener Börse notieren, wenn die Österreicher nur einen kleinen Teil ihres Vermögens in Aktien stecken? Hier wird zwischen Privatanlegern und institutionellen Investoren unterschieden.

Daten vom Finanzdienstleister Ipreo zeigen, dass jene Österreicher, die Aktien halten, stark auf ihren Heimatmarkt setzen. Denn mit einem Volumen von 7,7 Milliarden Euro, das die Österreicher in ATX-prime-Werte angelegt haben, halten sie 20 Prozent des Streubesitzes (der in Summe 38,5 Milliarden Euro ausmacht) und stellen somit die größte Investorengruppe unter den Privatanlegern dar. Von den 26 Milliarden Euro, die die Österreicher in Summe in Aktien veranlagt haben, liegen also rund 30 Prozent im Heimatmarkt. Investitionen von Nichtfinanzinstituten oder Direktbeteiligungen folgen mit 4,4 Milliarden – das sind elf Prozent des Streubesitzes.

Damit teilen sich den restlichen Streubesitz von 26,4 Milliarden Euro die institutionellen Investoren. Wie die Ipreo-Analyse zeigt, waren 2016 die USA das wichtigste Herkunftsland der internationalen institutionellen Investoren. Sie halten 27,7 Prozent am ATX prime, gefolgt von heimischen Großinvestoren und jenen aus Großbritannien (siehe Grafik). In Deutschland ist das Bild ähnlich: 32,6 Prozent des Dax sind in US-Hand.

In Summe halten Amerikaner etwa 56 Prozent ihres Finanzvermögens in Aktien, was auf eine offenere Aktienkultur und eine Förderung des Staates zurückzuführen ist. So gibt es etwa Wertpapier-Pensionskonten, bei denen Veranlagungsgewinne steuerfrei sind. Neben den Privatanlegern hat hierzulande also auch die Politik noch viel zu lernen.