NS-Arzt Heinrich Gross wurde 1981 aus der SPÖ und 1988 vom Bund Sozialdemokratischer Akademiker ausgeschlossen. In der FPÖ steht eine solche Aufarbeitung noch völlig aus.

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Der rhetorische Trick gehört mittlerweile zum Standardrepertoire der Freiheitlichen. Wird einer dieser "bedauerlichen Einzelfälle" bekannt, also rechtsextreme Umtriebe von Funktionären, hat die Partei rasch eine Antwort parat. Derzeit beliebt: "Und was ist mit den ehemaligen Nazis in der SPÖ?"

"Whataboutismus" ("Was ist mit ...?") nennt sich dieses Ausweichmanöver, das einst in der Sowjetunion beliebt war. Am Mittwochabend wandte es der freiheitliche Spitzenkandidat für die niederösterreichische Landtagswahl, Udo Landbauer, an, in dessen deutschnationaler Burschenschaft hetzerische NS-Lieder angestimmt werden: Und was sei mit den "Nazis in der SPÖ"?, fragte Landbauer in der "ZiB 2".

Nach 1945 tauchten Opportunisten, Karrieristen und geläuterte Parteigänger der NSDAP bei den Sozialdemokraten wieder auf und standen dort an der Seite von Widerstandskämpfern und Verfolgten des NS-Regimes. Dieser Teil der Geschichte wurde von der SPÖ in den 1990er-Jahren aufgearbeitet. Spät, und nach viel Druck, aber es wurde aufgearbeitet.

Die Freiheitlichen hingegen zeigen wenig Interesse daran, ihre diesbezügliche Geschichte aufzuarbeiten – gerade den Umstand, dass die FPÖ 1955 von ehemals hochrangigen Nazis, bekennenden Antisemiten und Angehörigen der SS mitgegründet wurde. Etwa von Anton Reinthaller, der aus dem Zentrum des NS-Systems kam. Der Oberösterreicher war bereits vor dem sogenannten Anschluss bekennender Nationalsozialist, trat 1938 der SS bei und wurde Reichstagsabgeordneter und Unterstaatssekretär des Großdeutschen Reiches. Bei der SS stieg er sogar bis zum Brigadeführer auf. Nach dem Krieg wurde Reinthaller wegen seiner Verstrickung in das NS-Regime zu drei Jahren Kerker verurteilt. Die FPÖ hat kein Problem damit. 2016 huldigte der oberösterreichische FPÖ-Chef und Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner Reinthaller bei einer Veranstaltung.

Reinthaller ist kein Einzelfall, in den Reihen der FPÖ tummelte sich auch Tobias Portschy, der ehemalige Gauleiter des Burgenlands und stellvertretende Gauleiter der Steiermark. Traurige Berühmtheit erlangte seine "Denkschrift zur Zigeunerfrage", in der er unter anderem die Einweisung von "Zigeunern" in Zwangsarbeitsanstalten sowie ihre Sterilisierung forderte.

"Whataboutismus" ist einfacher, als sich mit seiner eigenen Geschichte auseinanderzusetzen – das wäre aber notwendig, um künftigen "Einzelfällen" ein klares Signal mit auf den Weg zu geben. Derzeit hat die FPÖ mit ihrer Nazivergangenheit ein Problem. (Markus Sulzbacher, 25.1.2018)