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Der Delegationsleiter der syrischen Opposition, Nasr al-Hariri, am Montag in Moskau bei Russlands Außenminister Sergej Lawrow. Die Russen bereiten Sotschi vor, Hariri wird auch nach Wien kommen.

Foto: AP / Alexander Zemlianichenko

Ungeachtet des neuen Kriegs im Krieg – der türkischen Offensive gegen die Kurdenmiliz YPG in Nordwestsyrien – bleibt es bei den geplanten nächsten Terminen für die Syrien-Diplomatie: Am Donnerstag und Freitag wird Wien zum Schauplatz von ausgelagerten Genf-Gesprächen unter Uno-Schirm. Und für Montag und Dienstag nächster Woche, also am 29. und 30. Jänner, steht nach mehreren Verschiebungen der erste Termin der Syrischen Nationalen Dialogkonferenz unter russischer Ägide in Sotschi auf dem Programm.

Auch wenn es sich um unterschiedliche Gesprächsschienen handelt: Natürlich hängen sie alle zusammen und werden auch von den aktuellen Entwicklungen am Boden beeinflusst.

Eine der großen Fragen zur türkischen antikurdischen Offensive war etwa, warum Russland den Türken in Afrin quasi freie Hand gelassen hat: Der russische (und natürlich türkische) Ärger über die USA, die Mitte Jänner die Etablierung einer 30.000 Mann starken kurdisch dominierten "Grenzsicherheitstruppe" bekanntgaben, beantwortet diese Frage nur teilweise. Außer dass die Kurden und ihre US-Helfer zusammengestutzt werden, könnte für die Russen noch etwas herausschauen: Wenn die Türkei im Nordwesten Syriens ihren Willen bekommt und dort ihren Einfluss für die Nachkriegszeit zementiert, fällt es ihr leichter, den diplomatischen Prozess in Sotschi zu unterstützen. Das will Moskau – und nun schuldet Ankara den Russen etwas.

Türkei und Sotschi

Die türkische Rolle ist für die Legitimation von Sotschi, das sonst wie eine rein russisch-iranische Veranstaltung aussieht, wichtig. In Sotschi soll der Rahmen der Teilnehmer sehr weit gespannt sein, wie es sich eben für einen "nationalen Dialog" gehört.

Noch sperrt sich Ankara total gegen eine Teilnahme von Kurden, die der PKK-nahen PYD/YPG zuzurechnen sind. Russland wollte sie eigentlich einladen. Aber die Befriedigung der türkischen "Sicherheitsbedenken" in Nordwestsyrien – für die auch US-Außenminister Rex Tillerson immer wieder Verständnis zeigt – könnte letztlich auch den Weg für die Inklusion der größten Kurdengruppe ebnen. natürlich noch nicht in Sotschi, das ist zu früh, inmitten des Konflikts. Da würdes auch die PYD-Kurden selbst nicht kommen. Aber ohne PYD, die ja bereits ihre eigene Selbstverwaltung errichtet hat, ist der Aufbau einer Nachkriegsordnung unmöglich.

In Wien steht ein wichtiger Pfeiler einer solchen Ordnung auf der Tagesordnung: eine neue syrische Verfassung. Da die letzte Genf-Runde im Dezember völlig erfolglos auslief, versuchen die Uno-Vermittler unter Staffan de Mistura nun eine andere Vorgangsweise. In Genf konnten sich die Regimevertreter unter dem syrischen Uno-Botschafter Bashar al-Jaafari einerseits und die Oppositionsdelegation unter Verhandlungsführer Nasr al-Hariri andererseits nicht einmal darauf einigen, was zuerst behandelt werden sollte: der Kampf gegen den Terrorismus, wie das Regime es will, oder die Übergangszeit – ohne Assad -, wie die Opposition es will. Deshalb hat man für Wien ein Thema vorgegeben, in der Hoffnung, eine Brücke zu schlagen.

Hilfe auch für das Regime

Wien wird zum Testfall dafür, ob Russland die aktuellen Entwicklungen am Boden in Syrien als Hebel benützen kann und will, um auf das Regime Druck auszuüben. Das Assad-Regime ist einer der Nutznießer der türkischen Offensive, nicht nur wegen der längerfristigen Aussichten: der Kontrolle von Afrin nach Ende der türkischen Operation. Der Abzug türkisch gestützter Milizen, die die Türken nun in Afrin brauchen, begünstigt ganz aktuell die syrische Regime-Offensive bei Idlib.

Die Russen könnten dafür Regime-Entgegenkommen in Wien – die Bereitschaft, über eine neue Verfassung zu sprechen – verlangen. Bisher lautet die diesbezügliche Haltung des syrischen Regimes, dass Verfassungsänderungen allein von den existierenden syrischen Institutionen ausgehen sollten.

Die Uno und Sotschi

Wien ist quasi ein Stopover zwischen Genf und Sotschi. Russland hat großes Interesse daran, dass auch Uno-Vermittler de Mistura nach Sotschi kommt: Bisher bestand bei der Uno eher die Sorge, dass Moskau versuchen würde, durch einen eigenen Prozess die Genf-Diplomatie und damit die Rolle der Uno auszuhebeln.

Es sieht nun nicht gerade wie ein Zufall aus, dass ein Arbeitsdokument für die Sotschi-Konferenz an die arabische Zeitung "Asharq al-Awsat" geleakt wurde: Die Russen sind in dem Entwurf geradezu peinlich bemüht, die Ideen der Uno für einen politischen Prozess in Syrien zu berücksichtigen. Das soll de Mistura die Reise nach Sotschi wohl erleichtern. Uno-Generalsekretär Antonio Guterres hat jedoch einige Bedingungen gestellt, etwa, dass aus Sotschi kein ständiges Gesprächsformat wird.

Das Sotschi-Papier sieht Kommissionen vor, die sich mit der Verfassungsreform und der Vorbereitung von Wahlen befassen. Natürlich geht es auch um die Neudefinition des Amts des Präsidenten mit weniger Macht.

Und die USA? Tillerson benützt zurzeit die Chemiewaffenkonferenz in Paris, um sich mit den US-Partnern über eine gemeinsame Position abzusprechen. Und es gibt angeblich auch US-Gespräche mit Ankara, mit Angeboten – etwa einer YPG-freien Sicherheitszone –, um die türkische Offensive zu stoppen. (Gudrun Harrer, 24.1.2018)