Wien – Dass mit den neuen Deutschförderklassen offenbar keine langfristige Trennung von Kindern und Jugendlichen mit mangelnden Deutschkenntnissen angestrebt wird, befinden Wiener Sprachwissenschafter als gut. "Durchaus einige positive Aspekte" sieht Hannes Schweiger vom Institut für Germanistik der Universität Wien in dem am Montag von Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) präsentierten Konzept. Dazu gehöre etwa das Ansinnen, Kinder, die in einer solchen Deutschförderklasse sind, möglichst schnell in den Regelunterricht integrieren zu wollen. Wissenschaftliche Studien hätten nämlich gezeigt, dass gemeinsames Lernen für den Spracherwerb langfristig am förderlichsten ist. Kurzzeitiger Sprachunterricht "in eigenen Gruppen" könne trotzdem Sinn machen. Positiv sei, dass das nunmehrige Konzept nicht wie im Regierungsprogramm ursprünglich angedacht "pauschal eigene Deutschklassen" vorsehe, sagte der Wissenschafter aus dem Fachbereich "Deutsch als Fremd- und Zweitsprache".

Dass die Schüler in den meisten Fällen eben nicht jahrelang voneinander getrennt werden, bewertet auch Inci Dirim, die an der Uni Wien einen der österreichweit zwei Lehrstühle für Deutsch als Zweitsprache innehat, eher positiv. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht nichts abgewinnen kann einer solchen Trennung Eva Vetter vom Zentrum für LehrerInnenbildung der Uni Wien. Dass das im Extremfall für bis zu vier Semester möglich wird, sei "viel zu lange", findet die Vorsitzende des Verbandes für angewandte Linguistik (Verbal).

Weitere Maßnahmen

Wichtig sei, dass eine Verbindung zur Regelklasse gegeben bleibt, sprich: "Es eine Kombination von additiven und integrativen Maßnahmen gibt", betont Schweiger. Es reiche allerdings nicht, wenn Kinder in eine Deutschförderklasse gehen, dann ausreichend dem Unterricht folgen können, und danach weitere Fördermaßnahmen ausbleiben, betonte auch Dirim.

Hier sieht das von Faßmann präsentierte Modell auch weiter sechs Stunden pro Woche in einem Deutschförderkurs parallel zum Unterricht vor. Dem komme besondere Bedeutung zu, da internationale Studien gezeigt hätten, dass es fünf bis acht Jahre dauert, bis man Deutsch als Zweitsprache auf hohem Niveau beherrscht, so die Wissenschafter. Nicht vergessen dürfe man, dass Sprachlernen in allen Fächern stattfindet, sagt Dirim. Daher brauche es ein Konzept dafür, wie möglichst alle Lehrer für diese Aufgabe qualifiziert werden. Die Sprachförderlehrer, die in den vergangenen Jahren an die Schulen geholt wurden, könnten das nicht stemmen. "Es braucht Lehrkräfte – egal in welchem Fach -, die sich mit Deutschförderung und dem Umgang mit sprachlicher Heterogenität in den Klassen auskennen und dafür entsprechend ausgebildet sind", sagte Schweiger.

Fokus auf Deutsch

Darüber hinaus liege der politische Fokus jetzt insgesamt sehr stark auf dem Beherrschen von Deutsch, Integration sei aber auch von vielen weiteren Faktoren abhängig. Dass anderen Aspekten gerade wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, "stört mich und meine Kolleginnen", so Dirim. Die Verknüpfung der Schulreife mit dem Beherrschen der Unterrichtssprache sieht die Wissenschafterin äußerst kritisch. Denn auch dieses Konzept ist eigentlich weit umfassender: "Es kann natürlich sein, dass jemand schulreif ist, aber nicht Deutsch kann", sagt Dirim. Offen sei auch noch, mit welchen standardisierten Tests der Sprachstand festgestellt wird. Ebenso unklar ist, wie man "ausreichende Deutschkenntnisse" definieren wird, sagte Schweiger.

Die Feststellung des Sprachstandes anhand eines bestimmten Tests zu einem einzigen Zeitpunkt, der dann über die Zuweisung in eine Förderklasse entscheidet, sieht auch Vetter äußerst skeptisch. Besser wäre eine begleitende Sprachstandfeststellung. Man dürfe nicht auf Studien vergessen, die einen Zusammenhang zwischen Zurückstellungen aufgrund von Defiziten beim Beherrschen der Sprache mit späterem Bildungsabbruch identifizierten, so die Experten einhellig. Dirim: "Ich würde daher den Schulbeginn nicht an Deutschkenntnisse koppeln. Das halte ich für gefährlich." (APA, 23.1.2018)