SPD-Chef Martin Schulz steht vor einer neuen schwierigen Aufgabe. Nach dem knappen Ja der SPD zu Koalitionsverhandlungen muss er der Union noch etwas abluchsen.

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Der SPD-Parteitag sagt Ja zu Koalitionsgesprächen – und dann können diese ja unmittelbar darauf starten. So hatte sich so mancher in Berlin und auch in München bei der CSU das Szenario nach dem Sonntag vorgestellt. Doch gemach, so schnell ging es dann doch nicht.

Erstens stand in Berlin am Montagvormittag ein anderer wichtiger Termin auf dem Programm. Der Deutsche Bundestag und die französische Nationalversammlung würdigten in einer gemeinsamen Sitzung den 55. Jahrestag des Élysée-Vertrags. Diesen hatten am 22. Jänner 1963 der damalige deutsche Kanzler Konrad Adenauer und der französische Staatschef Charles de Gaulle unterzeichnet.

Der Vertrag regelt die deutsch-französische Zusammenarbeit und gilt als Meilenstein in der Aussöhnung der beiden Länder nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Laufe des Jahres wollen die beiden Regierungen eine weitere vertiefte Zusammenarbeit vereinbaren.

Das deutsch-französische Treffen im Bundestag war also ein Pflichtprogramm für die die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Chef Martin Schulz.

Für den Abend war dann jedoch ein Treffen zwischen Merkel, Schulz und CSU-Chef Horst Seehofer geplant, um den Fahrplan für die Koalitionsgespräche abzustecken. Schon zuvor hatte Schulz klargemacht, dass die SPD noch ein wenig Zeit brauche, um sich zu sortieren. "Die SPD wird nach diesem Parteitag erst einmal auch beraten müssen über die Struktur und die Fahrpläne, die mit unseren Vorstellungen korrespondieren", sagte Schulz. Dazu will sie am Mittwoch, aber möglicherweise auch erst am Donnerstag oder Freitag in Klausur gehen.

"Rückendeckung" der Basis

Die Terminfragen werden sich allerdings leichter klären lassen als die inhaltlichen. Zwar sagt Schulz: "Der Parteitag hat entschieden, das ist unser höchstes Organ, das ist Rückendeckung." Aber die SPD-Spitze hat eben nur 56 Prozent Zustimmung für Koalitionsverhandlungen erhalten.

Und das auch nur, weil den skeptischen Genossen kurz vor der Abstimmung noch Nachbesserungen in drei Punkten in Aussicht gestellt wurden:

· Arbeitsmarkt: Die SPD will ein Ende der sogenannten "sachgrundlosen" befristeten Arbeitsverhältnisse. Diese waren im Jahr 1985 eingeführt worden, um die Hürden für Neueinstellungen zu senken. Für die SPD ist die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung ein wichtiges Thema.

Die Union hingegen argumentiert, dass junge Leute eher eingestellt werden, wenn es erst nur einen befristeten Vertrag gibt. Ein Kompromiss könnte darin liegen, dass die Befristung nicht abgeschafft, aber eingeschränkt wird.

· Gesundheit: Eine Bürgerversicherung, wie sie sich die SPD wünscht, wird es nicht geben. Diese steht nicht im Sondierungspapier. Daher will die SPD nun an die Honorare der Ärzte. Für Privatpatienten kann ein Arzt mehr Honorar verrechnen als für einen gesetzlich Versicherten.

Am liebsten wäre der SPD natürlich eine völlige Angleichung. Dann würden viele Ärzte Privatpatienten nicht mehr bei der Terminvergabe bevorzugen. Doch da macht die Union nicht mit, denn dann hätten die meist teureren Privatversicherungen das Nachsehen, ihr Geschäftsmodell könnte geschwächt werden.

· Asylpolitik: Hier will die SPD noch mehr für Menschen mit subsidiärem Schutz erreichen. Derzeit ist der Familiennachzug ausgesetzt, künftig soll er nur noch 1000 Menschen pro Monat ermöglicht werden, so steht es im Sondierungspapier.

Doch das ist der SPD nun zu wenig. Sie fordert eine "weitergehende Härtefallregelung". Wie diese aussehen könnte, ist nicht klar. Allerdings dürfte hier ein Kompromiss am schwierigsten werden. Vor allem für die CSU ist die Zahl 1000 aus dem Sondierungspapier schon ein Zugeständnis.

Gerüchte besagen, dass Schulz, als er merkte, es könnte beim Parteitag auch ein Nein zu Verhandlungen herauskommen, Merkel angerufen und mit ihr Entgegenkommen vereinbart hat, um die GroKo auf Schiene zu bringen.

Merkel klärt "Detailfragen"

Merkel ist erleichtert, dass die Gespräche nun beginnen könnten. Sie erklärt, das Sondierungspapier sei der "Rahmen" für Gespräche, in denen noch einige Fragen "im Detail" zu klären seien. CDU-Vizechefin Julia Klöckner hingegen warnt die SPD vor zu großen Erwartungen: "Der Koalitionsvertrag buchstabiert das aus, was der Sondierungsvertrag auch einstimmig beschlossen hat. Insofern werden wir keine Wände verrücken, weil dann die gesamte Statik infrage gestellt wird."

So sieht es auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU): "Man kann jetzt nicht das, was besprochen worden ist, wieder infrage stellen." Dennoch: Bis Ostern soll die neue Regierung endlich stehen. (Birgit Baumann aus Berlin, 22.1.2018)