Gegen den Bau neuer Gemeindewohnungen hat sich Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (Zweiter von rechts) ziemlich gewehrt. Im Dezember fand in der Fontanastraße in Wien-Favoriten der Spatenstich für die ersten 120 statt.
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Michael Ludwig wird am Samstag möglicherweise zum neuen Wiener SPÖ-Chef und in der Folge dann zum nächsten Wiener Bürgermeister gekürt. Einstweilen ist der Floridsdorfer noch Wohnbaustadtrat, er hat den Posten sei 2007 inne. Seither habe er "70.000 geförderte Wohnungen errichtet", sagte er kürzlich in einem Interview mit dem "Trend". In einem ORF-Interview vergangene Woche sagte er außerdem, dass er "pro Woche im Schnitt 130 Wohnungen" übergebe. Aber hat er damit auch recht?

Stark verbesserungswürdige Datenlage

Eines vorweg: Die richtige Antwort auf diese Frage zu finden ist nicht einfach. Fakt ist nämlich jedenfalls eines: Die Qualität der österreichischen Wohnbaustatistiken hat noch Luft nach oben. Das liegt auch daran, dass Länder und Gemeinden nur sehr lückenhaft Daten melden – insbesondere auch die Stadt Wien, also Ludwigs Ressort.

Vor allem die Zahlen über Fertigstellungen neuer Wohneinheiten, insbesondere von gefördert errichteten Wohneinheiten, sind höchstens über Umwege verfügbar. Diese Daten werden nämlich von manchen Bundesländern (Burgenland, Kärnten, Oberösterreich) gar nicht, von den anderen nur quasi nach Lust und Laune erhoben und weitergeleitet.

Einer der angesprochenen Umwege ist jener über die Förderungszusicherungen, also die bewilligten Förderungen eines Jahres. Sie sind nach Wohneinheiten aufgeschlüsselt, was klarerweise leichter verständlich ist als die vom Finanzministerium von den Ländern verlangten (und dann gesammelt wieder veröffentlichten) Angaben über die Volumina der Wohnbauförderung (aufgedröselt in Neubau und Sanierungen) in Millionen-Euro-Beträgen.

Tabelle 1: Wohnbauförderzusicherungen in Wien im Zeitraum 2007–2016

Quelle: Wohnbaustatistik der Bundesländer, BMF, GBV

Die aktuell verfügbaren Statistiken, die der Österreichische Verband der Gemeinnützigen (GBV) dem STANDARD zur Verfügung gestellt hat, machen klar: Für (großzügig aufgerundete) 64.000 Wohneinheiten wurde unter Michael Ludwigs Regentschaft im Wiener Wohnbauressort (bis 2016) jedenfalls Wohnbauförderung zugesichert – davon waren allerdings 11.700 Heimplätze. Die Anzahl der "normalen" Mietwohnungen liegt in diesem Zeitraum bei 52.300.

Alles in allem und inklusive der erwartbaren 2017er-Zahlen (die zumindest auf dem Niveau von 2016, wahrscheinlich aber darüber liegen sollten) kommt man damit aber auf rund 70.000 Wohneinheiten.

Förderzusicherungen vs. Fertigstellungen

Die Zahlen über die Förderzusicherungen geben allerdings noch keine Auskunft darüber, wie viele Wohneinheiten in einem bestimmten Jahr gefördert errichtet wurden. Manche zugesagte Förderung wird nämlich später gar nicht in Anspruch genommen; insofern handelt es sich bei den Förderzusicherungen um eine Obergrenze: Mehr, als förderzugesichert wurde, kann schließlich nicht gefördert errichtet werden.

Die Crux liegt nun aber natürlich darin, dass die Förderzusicherungen eines Jahres mit den im selben Jahr fertiggestellten geförderten Einheiten nichts zu tun haben. "Schuld" daran sind die langen Zeiträume von mehreren Jahren (die Zeit für Bauvorbereitung und Bau), die zwischen Förderzusicherung und Fertigstellung liegen. Ganz grob betrachtet lässt sich aus einer hohen Zahl an Förderzusicherungen höchstens schließen, dass etwa ab dem übernächsten Jahr auch mit einer sehr hohen Zahl an Fertigstellungen zu rechnen ist.

Die Fertigstellungen sammelt die Statistik Austria von den Ländern und Gemeinden. Die Stadt Wien hat hier in den vergangenen Jahren folgende Zahlen gemeldet:

Tabelle 2: Fertiggestellte Wohneinheiten in Wien im Zeitraum 2007–2016
gefördert und freifinanziert

Quelle: Statistik Austria

In dieser Statistik sind allerdings auch die freifinanziert errichteten Wohneinheiten mitgezählt. Und auf diese entfiel in den vergangenen Jahren bekanntlich ein immer größerer Anteil. Wie groß der war, lässt sich nur ungefähr sagen. Der sogenannte "Förderdurchsatz", also der Anteil der geförderten an sämtlichen bewilligten Wohneinheiten eines Jahres, kann sich nämlich von Jahr zu Jahr signifikant ändern, was vor allem an den starken Schwankungen der Förderzusicherungen (siehe Tabelle 1) liegt.

Für 2014 nennt Wohnbauforscher Wolfgang Amann (Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen) beispielsweise anhand seiner eigenen Daten einen Anteil von 70 Prozent; das heißt, für sieben von zehn bewilligten Wohneinheiten (im mehrgeschoßigen Bereich, nicht bei den Eigenheimen) wurde auch Wohnbauförderung gewährt.

2014 war allerdings ein sehr starkes Förderungsjahr in Wien. Für 2016, das letzte Jahr mit bereits verfügbaren Zahlen, nennt der Wohnbauforscher dem STANDARD einen Prozentsatz von nur noch 50.

Rund 50.000 neue geförderte Wohnungen seit 2007

Gerechnet mit einem angenommenen Durchschnitt von 70 Prozent für den Zeitraum 2007 bis 2016, kommt man also anhand der Statistik-Austria-Daten auf knapp 43.200 in diesen Jahren in Wien fertiggestellten geförderten Wohneinheiten. Da fehlt nun zwar noch das Jahr 2017, für das es noch keine Zahlen gibt, aber man merkt schon, dass es auch mit den 2017er-Zahlen eher nicht mehr in Richtung der von Ludwig genannten 70.000 gehen wird, sondern nur in Richtung 50.000.

Das war jetzt aber nur der Neubau. Nimmt man (großzügigerweise) an, dass Ludwig mit seiner Aussage auch die im Zuge von geförderten Sanierungen neuentstandenen Wohnungen (meist in ausgebauten Dachgeschoßen) mitgemeint hat, wird es noch komplizierter. Unter anderem deshalb, weil es Wien als einziges Bundesland seit vielen Jahren nicht schafft, Zahlen darüber an die Statistik Austria zu melden.

Was sich jedenfalls sagen lässt: Unter den Dächern der Wiener Gemeindewohnungen entstanden seit 2007 im Zuge von Sanierungen bisher rund 600 neue Dachgeschoßwohnungen; das teilt "Wiener Wohnen" auf Anfrage des STANDARD mit.

Fazit I: Die von Ludwig genannten 70.000 Wohnungen, die er bisher als Wohnbaustadtrat errichtet haben will, betrifft höchstens die Zahl der von seinem Ressort gewährten Förderzusicherungen. Persönlich "übergeben" kann er höchstens rund 50.000 Wohnungen haben, zumindest laut den Fertigstellungsdaten der Statistik Austria. Wohnbauforscher Amann hält diese Zahlen aber für nicht sehr valide, er erhebt eigene Zahlen, in denen insbesondere auch die durch Aus- und Zubauten entstandenen neuen Wohneinheiten mitgezählt werden. Er kommt so im Zeitraum von 2007 bis 2017 auf rund 67.000 in Wien neu geschaffene Wohneinheiten im mehrgeschoßigen Bereich. Mit einem eher schon großzügig angenommenen Förderdurchsatz von 80 Prozent ergäbe dies eine Anzahl von rund 53.600 in diesem Zeitraum fertiggestellten geförderten Wohneinheiten.

Amann räumt ein, dass die rund 70.000 Förderzusicherungen schon irgendwann konsumiert werden und dass sich in Wien in jüngster Vergangenheit einiges bewegt habe, was die für die Genehmigung von Wohnprojekten nötigen infrastrukturellen Voraussetzungen betrifft. Ludwig sagte dazu selbst kürzlich im STANDARD-Interview, dass es hier Probleme gibt: "Wir haben tausende Wohnungen in der Pipeline und können sie nicht realisieren, weil die entsprechende Infrastruktur fehlt. Neben Wohnungen brauchen wir Kindergärten, Schulen, Straßen und Verkehrswege." Oft würden sich auch Anrainer und Bezirke gegen Projekte aussprechen, "dem muss man sich stellen, aber es kostet Zeit und Geld". Und ganz allgemein: "Zwischen Forderung und dem, was umgesetzt werden kann, klafft oft ein Widerspruch."

Fazit II: "Wöchentlich" hat Ludwig demnach in seiner bisher fast genau elfjährigen Amtszeit (er wurde am 22. Jänner 2007 als Wohnbaustadtrat angelobt) auch nicht durchschnittlich 130 neu errichtete und geförderte Wohnungen übergeben, sondern nur etwa 94. Da sind die noch von seinem Vorgänger Werner Faymann auf den Weg gebrachten Wohnungen schon drin. Die Übergabe der (durchaus vielen) Wohnungen, für die Ludwig in den vergangenen drei Jahren Wohnbauförderung zusicherte, wird aber wohl sein(e) Nachfolger(in) vornehmen dürfen.

Außer, er bleibt – wenn er nicht Bürgermeister wird – Wohnbaustadtrat. Dann könnte er sich auch selbst noch darum kümmern, dass die Qualität der Daten über den Wiener Wohnbau stark verbessert wird. (Martin Putschögl, 25.1.2018)