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Geballte Macht: US-Präsident Donald Trump (Mitte) mit Vizepräsident Mike Pence (rechts) , Paul Ryan und Mitch McConnell (von links).

Foto: AP Photo/Evan Vucci

STANDARD: Herr Edwards, haben Sie im November 2016 eigentlich Aktien gekauft?

Edwards: Nein, leider nicht (lacht).

STANDARD: Überrascht es Sie, dass die Börsenkurse steigen und steigen und die Wirtschaft brummt, obwohl viele Experten für den Fall eines Trump-Sieges einen Absturz prophezeit hatten?

Edwards: Überhaupt nicht, ich bin ja Republikaner. Mir ist klar, dass Trump die Wirtschaft von Fesseln befreit, wenn er Auflagen kassiert und die Steuern senkt. Das habe ich erwartet. Dass ich ihn dennoch ablehne, hat mit seinem Charakter und seiner Moral zu tun.

STANDARD: Wirtschaftlich geht es aufwärts. Wird Trump am Ende trotz aller düsteren Szenarien Erfolg haben, wird er 2020 womöglich wiedergewählt?

Edwards: Das mit der Wiederwahl könnte ihm sogar gelingen. Aber ob man von einer erfolgreichen Präsidentschaft sprechen kann, hängt davon ab, welche Elle Sie anlegen. Wenn es eine rein ökonomische Elle ist, dann ist er so erfolgreich, wie jeder andere es wäre, der nach republikanischen Rezepten kocht. Aber ist diese Präsidentschaft auch gut für das Land? Nein, sicher nicht. Trump vertieft die Spaltung im Innern und schadet dem Image Amerikas, weil er den Eindruck erweckt, als kümmerten wir uns nur noch um uns selbst. Trumps Präsidentschaft ist ein hässlicher Fleck für Amerika. Unser Ruf wird ramponiert, unsere Werte werden kompromittiert. Ich sehe ein Scheitern, egal ob die Börse boomt oder Trump wiedergewählt wird.

STANDARD: Manche sehen sogar die amerikanische Demokratie in akuter Gefahr. Andere halten sie für derart stabil, dass sie auch vier oder gar acht Jahre Trump übersteht. Was meinen Sie?

Edwards: Ich halte die Gefahr für real. Schuld ist nicht allein Trump, schuld sind auch führende Republikaner im Kongress, weil sie einfach mitmachen. Gemäß unserer Verfassung liegt die meiste Macht bei der Legislative, doch Mitch McConnell und Paul Ryan (republikanischer Mehrheitsführer im Senat und Speaker des Repräsentantenhauses, Anm.) lassen Trump schweigend gewähren. Hauptsache, sie bekommen die Steuerreform, sie bekommen die Gesetze, die sie sich wünschen. Dafür akzeptieren sie alles andere, was Amerikas Reputation in den Schmutz zieht.

STANDARD: Wie lange kann das so weitergehen, bis die Kontrollmechanismen der "checks and balances" greifen?

Edwards: Ich glaube nicht, dass es sich um ein kurzfristiges Phänomen handelt. Wie die Alt-Right-Bewegung, Neonazis, weiße Überlegenheitsfanatiker, wie immer Sie diese Leute nennen wollen, an Boden gewinnen, das ist ein Desaster. Davon wird sich das Land nicht so leicht erholen. Es wird dauern, bis die Menschen im Rest der Welt Amerika wieder vertrauen.

STANDARD: Was sollten die Republikaner Ihrer Meinung nach tun?

Edwards: Sie stellen die Mehrheit im Kongress, und wenn der Kongress seinen Job richtig macht, dann ist er sehr stark. Der Kern unseres politischen Systems besteht nun einmal in der Teilung der Macht. Dieses Prinzip wird jedoch untergraben, wenn sich die Mehrheit in der Legislative Trump einfach fügt.

STANDARD: Warum fügt sie sich?

Edwards: Aus ideologischen Gründen. Beide Seiten, das gilt übrigens auch für die Demokraten, folgen nur noch parteipolitischen Erwägungen. Die Demokraten wollen den Präsidenten scheitern sehen, damit sie die nächste Kongresswahl gewinnen. Und den Republikanern geht es nur darum, an der Macht zu bleiben. Das bedeutet ihnen mehr, als ein in der Mitte geeintes Land zu regieren.

STANDARD: Wann wird das Pendel zurückschlagen? Wann wird sich diese extreme Polarisierung wieder abschwächen?

Edwards: Ja, wird sind polarisiert. Wir sind aber auch ethnisch, religiös und so weiter vielfältiger als jedes andere Land. So neu ist das also nicht mit der Polarisierung. Nur setzen sich bei den Vorwahlen für öffentliche Ämter immer öfter Politiker durch, die, ob links oder rechts, für die reine Lehre stehen. Wer so tickt, für den steht die Loyalität gegenüber dem eigenen Team an erster Stelle. Der Wunsch, das andere Team zu besiegen. Davon profitiert Trump. Ich will ihn nicht mit Hitler vergleichen, aber im Deutschland der 1930er-Jahre muss es ähnlich gewesen sein. Als Hitler an die Macht kam, haben viele, die ihn hätten stoppen können, zunächst mitgemacht ...

STANDARD: ... und viele dachten, ach, den Hitler werden wir zähmen. So schlimm wird es schon nicht.

Edwards: Bei uns haben sich Leute wie Ryan eingeredet, ach, lass den Trump erst in seinem Büro sitzen, dann wird er sich anders verhalten müssen als auf einer Wahlkampfbühne. Doch Trump ist Trump. Er hat nicht bloß geschauspielert, um eine Wahl zu gewinnen. Das war der wahre Trump – und wenn man nicht klar sagt, darin erkennen wir uns nicht wieder, so ist Amerika nicht, dann wird man zum Komplizen. Das lässt sich dann nicht mehr so leicht reparieren.

STANDARD: Außenpolitisch haben die USA über weite Strecken von zwei Dingen profitiert: von ihren Allianzen und ihrer Soft Power. Beides scheint Trump infrage zu stellen.

Edwards: Ich würde noch einen dritten Punkt hinzufügen. Der Bursche mit den stärksten Muskeln, so haben wir es immer gesehen, kann es sich leisten, nicht ständig in den Ring zu springen, um seine Stärke zu beweisen. Wir können Makler sein, wir können Geduld haben, wir schauen über den Tellerrand, so haben wir traditionell unsere Rolle verstanden. Damit ist es vorbei, auf einmal sind wir die Verrückten im Viertel. Man nehme nur den Konflikt mit Nordkorea: Wir sind nicht mehr die Großmacht, die es nicht nötig hat, mit ihren Muskeln zu prahlen. Wäre ich Europäer, wüsste ich nicht mehr, ob ich mich bei der Suche nach diplomatischen Lösungen auf die Amerikaner verlassen kann. Ich würde es vielmehr für möglich halten, dass sie als Erste Raketen abfeuern. Damit verlieren wir unsere Glaubwürdigkeit. Irgendwann sagen die Europäer, lasst uns diesen durchgedrehten Onkel am anderen Ufer des Ozeans einfach vergessen.

STANDARD: Was ist mit den Erwachsenen im Kinderzimmer, mit Stabschef John Kelly, Verteidigungsminister James Mattis und H. R. McMaster, dem Nationalen Sicherheitsberater des Präsidenten? Lassen sie Trump reden und ziehen unterdessen Korsettstangen ein, um echten Schaden zu vermeiden?

Edwards: So sicher bin ich mir da nicht. Außerdem kann Trump seinen Verteidigungsminister oder seinen Sicherheitsberater feuern, wenn sie nicht tun, was er will. Es trifft letztlich die Entscheidungen, er ist im Besitz des Nuklearcodes. Wäre Mattis in der Lage, Befehle des Präsidenten zu ignorieren und jeden in der Kommandokette dazu zu bringen, dasselbe zu tun? Ich weiß es nicht. (Frank Herrmann, 20.1.2018)