Die Zulassungsempfehlung durch die Europäische Arzneimittelagentur EMA war bereits im November vergangenen Jahres erfolgt. Bei dem Arzneimittel handelt es sich um einen monoklonalen Antikörper (Ocrelizumab) des Schweizer Pharmakonzern Roche. Die Antikörper binden an B-Immunzellen und führen zu deren Beseitigung. B-Zellen sind offenbar an den Krankheitsprozessen bei der Multiplen Sklerose beteiligt.

Mit dem monoklonalen Antikörper Ocrelizumab wird in Zukunft auch in Europa das erste in einer klinischen Studie der Phase III wirksame Medikament zur Behandlung einer Multiplen Sklerose, die von Anfang an fortschreitet, zur Verfügung stehen. Die EU hat das Arzneimittel Ende letzter Woche zugelassen. Die Behandlungsmöglichkeiten bei MS haben sich in den vergangenen Jahren insgesamt verbessert.

Bei Ocrelizumab handelt es sich um einen humanisierten Antikörper gegen das CD20-Oberflächenmolekül von B-Zellen. Zur Beseitigung von B-Zellen gab es bisher vor allem den monoklonalen Antikörper Rituximab. Dieser ist allerdings ein von Mäusen stammender Antikörper und kann Immunreaktionen hervorrufen. Roche hatte Ocrelizumab ursprünglich auch für die Behandlung von rheumatoider Arthritis vorgesehen, die Entwicklung aber beendet.

Verhinderung von MS-Schüben

Zugelassen wurde das neue Medikament nach den USA im Jahr 2017 nun auch in der EU für Patienten mit schubförmiger multipler Sklerose, die anhand bildgebender oder klinischer Befunde bestätigt wurde, wie der Pharmakonzern mitteilte. In zwei klinischen Studien der Phase III zeigte sich im Vergleich zu einer Behandlung mit einem Beta-Interferon eine um fast die Hälfte (46 bzw. 47 Prozent) reduzierte Häufigkeit von akuten Krankheitsschüben.

Weiters wurde das Arzneimittel auch als erstes Medikament zur Behandlung der primär progredienten Form der Multiplen Sklerose zugelassen. Beim größten Teil der MS-Patienten kommt es zu einem schubförmigen Verlauf, der aber später in ein sich ständig verschlimmerndes Leiden übergehen kann. Ein relativ kleiner Teil der Betroffenen – zehn bis 15 Prozent – zeigt aber von Anfang an eine kontinuierliche Verschlechterung ihres Zustandes (primär progredient).

Bei der MS kommt es schubförmig oder permanent infolge einer Autoimmunreaktion zu Entzündungsherden im Gehirn und im Rückenmark. Durch die fehlgeleitete Abwehrreaktion werden die Isolierschichten von Nervenfortsätzen abgebaut. Lähmungserscheinungen sind die Folge. Die ersten immunmodulatorischen Therapien wie Beta-Interferon bzw. Glatirameracetat verringerten die Häufigkeit von MS-Schüben um rund ein Drittel.

Häufige Nebenwirkungen

Bei primär progredienter Multipler Sklerose gab es aber bisher kaum wirksame Behandlungsmöglichkeiten. Dies könnte jetzt anders werden. In der für die Zulassung von Ocrelizumab für die Behandlung dieser Form der MS entscheidenden Studie zeigte sich über einen Zeitraum von zwölf bzw. 24 Wochen eine Reduktion des Fortschreitens von Behinderungen bei einer solchen Therapie im Vergleich zur Gabe eines Placebos um etwa ein Viertel. An dieser wissenschaftlichen Untersuchung waren auch die Universitätskliniken in Wien (AKH) und Innsbruck beteiligt, ebenso Spitalsabteilungen in Linz, Salzburg und Villach.

Zwei der drei Wirksamkeitsstudien sind bereits Ende 2016 im New England Journal of Medicine veröffentlicht worden. Ergebnisse aus Kongresspräsentationen waren seit 2015 bekannt. Das neue Arzneimittel wird nach der Anfangsphase der Behandlung alle sechs Monate per Infusion verabreicht.

Die häufigsten Nebenwirkungen waren Infusionsreaktionen und Infektionen der oberen Atemwege. Auf dem Gebiet der Multiplen Sklerose haben sich die Behandlungsmöglichkeiten in der jüngeren Vergangenheit deutlich weiterentwickelt. So wurden der monoklonale Antikörper Natalizumab und das zunächst als Transplantationsmedikament entwickelte Fingolimod als effiziente Arzneimittel gegen die MS zugelassen.

Effiziente Arzneimittel

Erst im August genehmigte die EU die Verwendung des immunsuppressiven Zytostatikums Cladribine bei Patienten mit Multipler Sklerose. Die Anwendung von Cladribine ist extrem einfach und kurzfristig. Es sind fünf Tabletten an fünf Tagen, dann drei Wochen Pause, dann wieder fünf Tabletten im ersten Therapiezyklus.

Nach einem Jahr wird das dann wiederholt. Bei Patienten mit schubförmiger MS kam es in wissenschaftlichen Studien unter dieser Behandlung zu einer Verringerung der akuten Krankheitsschübe um zwei Drittel. In Österreich leiden rund 12.000 Patienten an MS. (APA, 18.1.2018)