Die Wiener SPÖ sucht einen Nachfolger für den Wiener Bürgermeister und SPÖ-Vorsitzenden Michael Häupl.

Foto: Heribert Corn
Foto: Heribert Corn

PRO: Das Rezept Demokratie

von Eric Frey

Wie sehr wurde der Wiener Bürgermeister und SPÖ-Vorsitzende Michael Häupl dafür geprügelt, dass er seine Nachfolge nicht klar geregelt hat. Mit zwei Kandidaten unterschiedlicher politischer Ausrichtung werde sich die Partei zerfleischen, hieß es, und bei der nächsten Gemeinderatswahl noch weiter verlieren.

Jetzt aber, zehn Tage vor dem Parteitag, an dem sich die Delegierten zwischen Michael Ludwig und Andreas Schieder entscheiden müssen, zeigt sich: Dieser Weg ist der richtige. Die Wiener SPÖ ist gespalten, das lässt sich nicht verleugnen. Ob es um den Umgang mit Flüchtlingen und Migranten, die Verkehrspolitik, die Partnerschaft mit den Grünen oder, allen voran, die Haltung zur FPÖ geht: Zwischen Wählern aus dem Arbeitermilieu in Floridsdorf und Akademikern in Neubau klaffen Welten – ebenso zwischen den Funktionären, die diese Gruppen vertreten. Beim Parteitag im April 2017 eskalierte der Konflikt: Vertreter des linken wie des rechten Flügels erlitten massive Streichungen bei der Wahl ins Präsidium. Das hat allen geschadet.

Auch ein von Häupl gekürter Konsenskandidat hätte diese Kluft nicht überbrücken können, dazu sind die inhaltlichen Differenzen zu groß. Stattdessen hat die Partei eine Methode gewählt, die sich auch in anderen politischen Bereichen bewährt: Demokratie. Und wie sich nicht zuletzt beim Hearing gezeigt hat, wird diese interne Debatte zivilisiert und fair, sogar etwas zahnlos geführt, kommt es eher zur Annäherung als zur weiteren Polarisierung. Dass der Parteitag öffentlich ist, hilft dabei. Am 27. Jänner sind keine Blutlachen auf dem Boden der Messehalle zu erwarten.

An diesem Tag wird es einen Sieger und einen Verlierer geben. Aber die Chancen stehen gut, dass der neue Parteichef seinen Kritikern die Hand reicht und sie ihn akzeptieren werden. Schließlich hat er ein demokratisches Mandat – auch dann, wenn das Ergebnis sehr knapp ist.

Österreichs Parteien scheuen vor Kampfabstimmungen um den Vorsitz fast immer zurück, Nachfolgefragen werden in Hinterzimmern ausgeklüngelt. Dadurch geht hierzulande ein wichtiges Stück Demokratie verloren. Noch besser wären Vorwahlen, in denen wirklich alle Parteimitglieder abstimmen können. Aber der Weg der Wiener SPÖ ist ein großer Schritt vorwärts. Er wird die internen Meinungsverschiedenheiten nicht zum Verschwinden bringen, aber vielleicht auch andere Parteien dazu bewegen, Konflikte offen auszutragen, statt sie unter den Teppich zu kehren. (Eric Frey, 17.1.2018)

KONTRA: Auf Dauer kein Ausweg

von Petra Stuiber

Ja, das Hearing der Bewerber um den künftigen Vorsitz der SPÖ Wien verläuft ruhig und professionell. Michael Ludwig und Andreas Schieder stellen sich den Fragen der Delegierten, die Medien bleiben draußen. Nachher freundlicher Handshake. Und Michael Häupl ist zufrieden, er wollte alles genau so. Schließlich ist er ja kein Erbhofbauer.

Problem gelöst? Mitnichten. Nicht ein einziger Konflikt der mit Macht auseinanderstrebenden größten und einflussreichsten SPÖ-Landesorganisation wird gelöst, wenn Ludwig und Schieder am nächsten Samstag gegeneinander antreten. Im Gegenteil: Die Gefahr droht, dass die Gräben noch tiefer werden. Beide Kandidaten stehen für zwei völlig unterschiedliche Wege in der Politik.

Michael Ludwig ist ein Pragmatiker der Macht. Er sieht die Chance, FPÖ-Wähler direkt von den Blauen zurückzuholen. Geht die Rechnung auf, würde das der SPÖ, ohne dass sie sich inhaltlich viel überlegt, drei Koalitionsmöglichkeiten eröffnen – neben den Grünen auch wieder mit einer (erstarkten) ÖVP und der FPÖ. Da kann man in aller Ruhe taktieren, wer den billigsten Koalitionspartner gibt. Die Gewerkschaft und die großen "Flächenbezirke" sind sehr dafür.

Der andere Kandidat, Andreas Schieder, ist der Liebling der eher links orientierten Stadt-Nomenklatura (parteiintern "linke Bobos" genannt) und der Favorit des amtierenden Bürgermeisters. Schieder will die Partei inhaltlich klarer positionieren und die antifaschistische Demarkationslinie scharf nachziehen. Das schließt die FPÖ-Option aus und ist moralisch ehrenwert, aber parteitaktisch riskant.

Wer immer am 27. Jänner gewinnt, lässt am Ende eine Menge Verlierer hinter sich. Unter der Oberfläche wird es weiter brodeln. Mehr noch, wenn die Integrationsfigur Michael Häupl weg ist, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Konflikte offen und öffentlich ausgetragen werden. Die "Freundschaft" ist in der Wiener SPÖ längst passé.

Häupl hätte das Auseinanderdriften der Wiener SPÖ früher erkennen und als Problem begreifen müssen. Er hätte den internen Diskussionsprozess aktiv anregen und selbst gestalten – und am Ende jemanden präsentieren müssen, der oder die für beide Lager eine annehmbare Alternative ist. Jemanden, der so vertrauenswürdig ist, dass er Mehrheiten bringt – ob mit oder ohne FPÖ-Option.

Stattdessen: Schieder oder Ludwig – links oder rechts, für alle Zeiten. Ein Dazwischen gibt es längst nicht mehr. (Petra Stuiber, 17.1.2018)