Kristoffersen und Hirscher haben es manchmal eh lustig.

Foto: APA/KEYSTONE/ANTHONY ANEX

Kitzbühel – Es ist zum Haareraufen, wenn man in der Haut von Henrik Kristoffersen steckt. Der Norweger wurde seinen hohen Ansprüchen diese Saison noch nicht gerecht, wartet doch der erfolgsverwöhnte Spitzentechniker immer noch auf seinen ersten Saisonsieg, während Marcel Hirscher schon achtmal gewann – fünfmal im Slalom, dreimal im Riesentorlauf.

Nach mehreren eher leisen Unmutsäußerungen bei den Rennen zuvor, übermannte ihn beim Slalom in Zagreb schließlich der Frust, als er von Hirscher um elf, von Michael Matt um sechs Hundertstel geschlagen wurde. Die TV-Kameras hielten fest, wie er im Zielraum mit dem Fuß gegen die Bande stapfte. "Es ist so hart, auf dem Podium zu stehen, ohne auch nur einmal zu gewinnen", sagte er in Adelboden, wo er im Riesentorlauf von Hirscher und im Slalom von Hirscher und Matt geschlagen wurde.

Norwegens Cheftrainer Christian Mitter stellt sich verständnisvoll hinter seinen Schützling: "Natürlich sollen die Athleten sportlich bleiben, aber sie sind brutal ehrgeizig, stehen voll unter Strom, möchten unbedingt gewinnen." Im Vergleich zu einem Fußballmatch laufe es im Skiweltcup ohnehin ab, wie bei einem Kindergeburtstag.

"Wer ist der König?"

Es war allerdings nicht das erste Mal, dass der Norweger mit einer Reaktion für Aufsehen sorgte und Kritik erntete. Vor rund einem Jahr brüllte er nach seinem fünften Saisonsieg in Schladming in die Kameras: "Wer ist der König? Hähä! Küsst meinen Allerwertesten!" Ein gefundenes Fressen für die Presse.

Heuer gibt sich Kristoffersen vergleichsweise kleinlaut. Bei zwölf Starts stand er abgesehen von einem fünften Platz in Val d'Isère (RTL) und einem neunten beim Parallelrennen in Oslo immer auf dem Podest, war siebenmal Zweiter, dreimal Dritter. "Es geht ihm super, er ist gut dabei, Zweiter im Gesamtweltcup", sagt Mitter. "Er ist ein richtiger Rennfahrer." Der Steirer sieht keinen Grund, wegen ein paar emotionaler Reaktionen einzuschreiten. "Man möchte einen Menschen nicht verändern, man muss ihnen die Persönlichkeit lassen. Jeder ist, wie er ist." Natürlich solle es fair bleiben und nicht ausarten, man wolle schließlich ein gutes Bild abgeben. "Aber wenn man Reaktionen zeigt, weil man enttäuscht ist, wenn man siebenmal Zweiter wird in einer Saison, dann ist das okay."

In Wengen applaudierte der 23-Jährige schon vor Hirschers Zieldurchfahrt, als er auf einem der schwierigsten Slalomhänge im Weltcup um 0,93 Sekunden geschlagen wurde und hernach konstatierte: "Im Moment ist Marcel besser. Ich werde es weiterhin probieren, jedes Rennen. Aber es geht mir nicht nur darum, Marcel zu schlagen, sondern auch darum, selbst wieder zu gewinnen." Und mit Kitzbühel am Sonntag, Schladming am Dienstag und Olympia bieten sich ja noch gute Gelegenheiten.

Mehr Riesentorlauftraining

Kristoffersen wird indes nicht müde zu betonen, dass er in der Vorbereitung viel in Riesentorlauftraining investiert und das Slalomtraining vernachlässigt habe. Das sieht auch Mitter so. Deshalb aber das Training zu ändern, habe keinen Sinn. "Man hat einen Plan gemacht und zieht den durch. Es bringt nichts, wenn man auf den Panikknopf drückt." Erst recht nicht in dieser Situation, denn dann wisse man am Ende der Saison nicht, was funktioniert und was nicht. Aktuell könne man nur weitermachen, trainieren und versuchen, einen besseren Schwung zu fahren. "Dann wird es schon wieder werden."

Vergangene Saison hat der Norweger die Slaloms in Val d'Isère, Madonna, Adelboden, Wengen und Schladming gewonnen, teilweise ging es dabei auch knapp her. Heuer habe er mit der einen oder anderen Laufbestzeit aufgezeigt, daher mache man sich keine Sorgen, auch nicht um das Nervenkostüm: "Nein, bei ihm sicher nicht! Er ist 100 Weltcuprennen gefahren, hat 15 gewonnen, war 40-mal auf dem Podium und ist erst 23 Jahre alt", sagt Mitter. "Die gleichen Interviews hat man letzte Saison mit Hirscher geführt. Das Pendel schwingt eben hin und her. Es fahren die Besten und keine Pausenclowns gegeneinander." (Thomas Hirner, 17.1.2018)