Mit Indra Collini tritt eine gebürtige Vorarlbergerin für die Neos in Niederösterreich an.

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STANDARD: Wir sitzen im Neos-Büro in Wien – führen Sie den Wahlkampf für den niederösterreichischen Landtag von hier aus?

Collini: Ja, weil wir einen schlanken Wahlkampf führen. Die Parteien in Niederösterreich dürfen sechs Millionen Euro ausgeben. Diese Materialschlacht finden wir nicht redlich. Wir werden auch mit unseren 400.000 Euro Budget in den Landtag einziehen.

STANDARD: Aber das Büro in Wien zeigt auch, dass Sie in Niederösterreich nicht stark verwurzelt sind.

Collini: Nein, es zeigt, dass wir mit Geld umgehen können und uns momentan kein Büro in Niederösterreich leisten wollen. Dafür, dass wir so eine junge Bewegung sind, sind wir im Land gut aufgestellt. Wir sind in 23 Gemeinderäten vertreten.

STANDARD: In 550 Gemeinden haben Sie also keine Gemeinderäte.

Collini: Ja – aber das hat uns niemand vorgehüpft, von null weg einzuziehen. Das passt schon.

STANDARD: Werden Sie im Wahlkampf oft erkannt, oder müssen Sie sich oft vorstellen?

Collini: Im Speckgürtel kennt man mich. Aber alle Spitzenkandidaten treten ja zum ersten Mal an.

STANDARD: Eines Ihrer Wahlkampfthemen ist Kontrolle. Diese Rolle hatten bisher die Grünen inne. Was wollen Sie besser machen?

Collini: Das wichtigste Thema ist die Abschaffung des Proporzes. Derzeit sitzen alle Parteien über zehn Prozent in der Landesregierung. Das ist mit ein Grund, warum es keine echte Opposition und keine echte Kontrolle gibt.

STANDARD: Den Proporz kritisieren die Grünen aber seit Jahren.

Collini: Wir haben einen weiteren Kontrollfokus, weil wir das ganze Schuldenthema auch beachten. Wir haben außerdem einen Klub im Nationalrat. Und wir haben beide Hände frei, weil es bei uns intern wirklich gut läuft. Lustig fand ich die Aussage vom Landesgeschäftsführer der ÖVP bei deren Wahlkampfauftakt: nämlich, dass man von den Grünen nichts spürt. Wenn das der Kontrollierte über die Kontrollierer sagt, sagt das schon etwas aus.

STANDARD: Die Neos hat er gar nicht erwähnt.

Collini: Wegleugnen sind wir gewohnt. Wir sind trotzdem da.

STANDARD: Sie haben die Schulden angesprochen. Ein Flächenbundesland muss doch investieren, was ist denn grundsätzlich schlecht an Schulden?

Collini: Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen. Allein für Zinsen zahlen wir im Jahr 125 Millionen Euro. Das Geld fehlt uns für nachhaltige Investitionen, damit könnte man 2500 Lehrer bezahlen, ein ganzes Jahr lang.

STANDARD: Um auf dem Stimmzettel zu stehen, brauchten Sie 50 Unterstützungserklärungen pro Wahlkreis. Das haben Sie als "große Hürde" bezeichnet. Für den Einzug in den Landtag brauchen Sie etwa 40.000 Stimmen. Wie wollen Sie die erreichen, wenn Sie bei 50 Unterschriften pro Wahlkreis schon Probleme hatten?

Collini: Daran sieht man, wie sehr sich das etablierte System gegen neue Kräfte stemmt: Die Bürger müssen dafür aufs Gemeindeamt, das hat auf dem Land oft nur ein paar Stunden pro Woche geöffnet. Dann haben die Menschen berechtigte Sorge, wenn sie unterschreiben: Das Enkerl braucht einen Kindergartenplatz, die Baugenehmigung fürs Einfamilienhaus liegt beim Bürgermeister. Aber diese Hürde haben wir mit Bravour genommen. Bei der Nationalratswahl haben wir 4,8 Prozent in Niederösterreich gemacht und im ländlichen Raum sogar zugelegt.

STANDARD: Es klingt immer wieder Kritik an den Grünen bei Ihnen durch. Sie haben ähnliche Zielgruppen. Laufen Sie damit nicht Gefahr, dass beide Parteien den Einzug in den Landtag verpassen?

Collini: Ich kümmere mich um unseren Wahlkampf, nicht um den der Grünen. Aber je mehr Kontrolle, umso besser.

STANDARD: Sie fordern auch die "Entrümpelung der Bauordnung". Was genau soll denn entrümpelt werden?

Collini: Es sind ganz, ganz, ganz viele Kleinigkeiten, die das Hausbauen schwermachen. Die größte Hürde ist, dass wir in jedem Bundesland eine andere Bauordnung haben – das macht es für Baumeister und Architekten schwierig.

STANDARD: Die FPÖ kritisiert etwa Vorgaben für den Klimaschutz – sehen Sie das auch als Bürokratieverursacher?

Collini: Wir sehen uns dem Klimaschutz verpflichtet. Wobei wir grundsätzlich als liberale Bewegung einen anderen Zugang haben. Bei uns steht nicht das Verbot im Vordergrund. Aber gewisse Vorgaben braucht es.

STANDARD: Sie fordern bessere Versorgung mit Ärzten auf dem Land. Wie unterscheidet sich das vom Landarztpaket der ÖVP?

Collini: Das ÖVP-Paket ist aus meiner Sicht reine Symptombekämpfung. Für eine Landärztin muss es möglich sein, aus eigener Kraft ihre Lebensgrundlage zu schaffen. Das ist durch die Kassenverträge nicht mehr gewährleistet.

STANDARD: Wen haben Sie bei der Landtagswahl 2013 gewählt?

Collini: Ich habe mich zuerst gefreut, dass da eine neue Kraft kommt, und eine Unterstützungserklärung fürs Team Stronach unterschrieben. Ich dachte mir: Super, dass da Bewegung reinkommt. Das hat sich nicht ganz so entwickelt, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich glaube, ich bin aus Frust nicht wählen gegangen.

STANDARD: Tatsächlich?

Collini: Liberale Partei hat es keine gegeben. Ich war tief frustriert. Ich war bei den 30 Prozent Nichtwählern. Ein Wahnsinn eigentlich, weil das die absoluten Mehrheiten einzementiert. Das ist nicht gut. Menschen sollen wählen gehen! (Sebastian Fellner, 18.1.2018)