Zwei ungleiche Amtskollegen: Angela Merkel und Sebastian Kurz trafen am Mittwoch erstmals in Berlin.

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Den roten Teppich schritten die beiden in vollkommener Eintracht ab. Viel wurde in den Tagen vor dem ersten Treffen zwischen Angela Merkel und ihrem Neo-Amtskollegen und Parteifreund Sebastian Kurz geschrieben über die angespannte Chemie zwischen den beiden: Weil Merkel es dem damaligen Außenminister noch nicht ganz verziehen habe, dass er 2015 offen ihre Asylpolitik kritisiert habe; weil sie ohnehin nicht so gut mit jungen, aufstrebenden Politikern könne; weil sie die Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen in Österreich weiterhin skeptisch sehe.

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Schon deshalb waren Merkel und Kurz am Mittwoch sichtlich bemüht, sich zumindest als Partner in der Sache zu geben. Frostig war nur das Wetter.

Man verstehe sich hervorragend, betonten die Amtskollegen dann vor der Presse. Dass man da und dort unterschiedlicher Meinung sei, sei normal unter Freunden. Die neue Regierung in Österreich werde man sehr wohl genau beobachten, sie dann aber vor allem an Taten messen. Was sie von Kurz in dem persönlichen Gespräch über die Europapolitik gehört habe, stimme sie zuversichtlich, beteuerte Merkel.

Sperrige Vergangenheit

Zumindest in den meisten europäischen Fragen würden sie übereinstimmen. Tatsächlich hatte man diesen Eindruck in den vergangenen Jahren keineswegs. Vor allem in der Asylpolitik unterschieden sich die österreichische und die deutsche Position massiv.

Dass er die Politik Merkels im Jahr 2015 nicht für gut befand, daraus machte Kurz als Außenminister nie einen Hehl. Statt auf Willkommenskultur setzte er 2016 unter Ausschluss der Deutschen auf die Sperrung der Balkanroute. Ungarn, Slowenien, Kroatien, Serbien und Mazedonien waren damals die Partner. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, Merkel müsse diesen Ländern dankbar sein. Wäre die Sperrung der Balkanroute nicht erfolgt, hätte die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) bei den Bundestagswahlen im vergangenen Herbst noch besser abgeschnitten.

Schleichend hat sich seither auch die Position Merkels zum Thema nach rechts verschoben. Tatsächlich nennt das aktuelle Sondierungspapier der großen Koalition in Deutschland eine Art Obergrenze für Flüchtlinge, ohne sie tatsächlich Obergrenze zu nennen: 180.000 bis 220.000 Personen sollen in Zukunft jährlich nur noch ins Land dürfen, Grenzkontrollen werden verstärkt.

Beim Treffen mit Kurz am Mittwoch stellte die deutsche Kanzlerin aber sehr deutlich klar, dass sie die EU weiterhin als Solidarunion begreife. Sie habe kein Verständnis dafür, dass gewisse EU-Länder die Quotenregelung der EU ignorierten. Kurz unterstrich in diesem Zusammenhang, dass Österreich schon rein geografisch die Funktion des Brückenbauers zu den Visegrád-Staaten wie Ungarn, Tschechien oder Polen einnehme. Ein Aspekt, den Österreich auch mit Blick auf die EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018 immer wieder betont. Die Diskussion um die Quoten würde für ihn persönlich aber "zu viel" Raum einnehmen.

Nettozahler nach Brexit

Das heikle Thema Finanzierung der Europäischen Union nach dem Austritt des Nettozahlers Großbritannien umschifften die Parteifreunde gekonnt. Prinzipiell ist Deutschland nämlich bereit, mehr ins EU-Budget einzuzahlen, während Österreich auf Einsparungen pocht. In Berlin zeigte man sich aber zumindest in der Frage einig, dass eine Entscheidung eng koordiniert werden müsse.

Im Frühjahr beginnen die Verhandlungen über den siebenjährigen EU-Finanzrahmen nach 2020. Es werde vorher eine Abstimmung der Nettozahler geben. Zur Idee eines EU-Finanzministers äußerten sich sowohl Merkel als auch Kurz skeptisch. Wichtiger sei, dass man erst einmal kläre, welche Aufgaben in der Eurozone überhaupt anstünden, betonte Merkel.

Zum Schluss war doch noch das Alter des österreichischen Kanzlers (31) ein Thema. "Er ist jung, das ist nicht zu bestreiten", amüsierte sich Merkel (63). Sie selbst wiederum würde stetig "Richtung Alter" rutschen – beides sei in Ordnung. In diesem Punkt herrscht Einigkeit. (Manuela Honsig-Erlenburg aus Berlin, 17.1.2018)