Das Konzept der Doppelresidenzen ist umstritten. Laut einer norwegischen Studie ist es aber die beste Variante der Kinderbetreuung nach einer Trennung.

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Bergen – Eine Woche Mama, eine Woche Papa: Verglichen mit anderen Ländern haben in Norwegen verhältnismäßig viele Kinder nach der Scheidung ihrer Eltern zwei Wohnsitze. Wochen- oder tageweise pendeln die Kinder zwischen dem Zuhause der Mutter und des Vaters hin und her. Aber was haben die Kinder von diesem Wechselmodell?

Dieser Frage sind Forscherinnen und Forscher des norwegischen Regionalzentrums für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Kinderfürsorge (RKBU Vest) und Uni Research Health nachgegangen. In einer großangelegten Studie haben sie die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, deren geschiedene oder getrennt lebende Eltern sich die Obsorge und Betreuung im Alltag nach dem Schlüssel halbe-halbe teilen, mit Kindern verglichen, die nach der Trennung ihrer Eltern ausschließlich oder überwiegend bei einem Elternteil leben. Mit dem Ergebnis: Kinder und Jugendliche, die nach der Trennung ihrer Eltern zu gleichen Teilen bei Vater und Mutter leben, haben weniger psychische Probleme als Kinder mit anderen Wohnsitzregelungen.

Doppelresidenzen im Aufwind

"Es zeigte sich, dass Jugendliche mit einem geteilten Wohnsitz nach einer Scheidung über weniger psychische Probleme berichten als diejenigen, die überwiegend mit einem alleinerziehenden Elternteil oder in einer Stieffamilie lebten", sagt Sondre Aasen Nilsen, Studienautor und Forscher am RKBU Vest. Darüber hinaus stellten die Wissenschafter fest, dass Jugendliche mit einem geteilten Wohnort nicht mehr psychische Probleme hatten als junge Menschen, die mit ihren beiden nichtgeschiedenen Eltern zusammenlebten.

Es ist die bisher größte norwegischen Umfrage, die den Einfluss unterschiedlicher Varianten der Kinderbetreuung nach Scheidung oder Trennung auf die kindliche Entwicklung untersuchte. Rund 7.700 junge Menschen beantworteten ausführlich Fragen zur Scheidung ihrer Eltern, zu den finanziellen Ressourcen der Familie und dazu, wie und mit wem sie nach der Scheidung lebten. Die Forscher weisen aber auf eine Einschränkung hin: Die Studie verwendete Daten aus dem Jahr 1997. "Es fehlten uns Informationen darüber, wie junge Menschen sich heute in verschiedenen Wohnverhältnissen anpassen, nachdem viele Familien sich für eine Doppelresidenz der Kinder entschieden haben", sagt Nilsen.

Geteilter Wohnsitz umstritten

In Norwegen ist in den letzten zehn Jahren die Zahl der Eltern, die sich nach einer Scheidung für ihre Kinder zwei Zuhause ausgesucht haben, stark angestiegen, wobei das Kind ungefähr genauso viel mit der Mutter wie mit dem Vater lebt. Mehrere internationale Studien zeigen eine Korrelation zwischen dieser Lebensform und weniger psychischen Problemen bei Kindern mit geschiedenen Eltern verglichen mit denen, die überwiegend bei der Mutter oder dem Vater leben.

Dennoch ist der geteilte Wohnsitz strittig. Nicht nur was die psychische Entwicklung der Kinder anbelangt, auch politisch ist der ständige Wechsel zwischen zwei Häusern ein Streitfall. Benötigt eine Doppelresidenz für Kinder getrennt lebender Eltern doch mehr finanzielle Mittel und auch entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen. (chrit, 17.1.2018)