Die Umweltorganisation Greenpeace schlägt Alarm: "Wenn Verkehrsminister Hofer jetzt die Messung der Abgase abschafft, gibt er die Kontrolle völlig aus der Hand."

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Wien – Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) nimmt die Ermahnung der EU-Kommission, wonach die Mitgliedsstaaten angehalten sind, bei Kfz-Zulassungen wieder eigenständige Abgasmessungen durchzuführen, offenbar nicht ernst. Wie aus dem in Begutachtung verschickten Entwurf zur neunten Novelle der Prüf- und Begutachtungsstellenverordnung hervorgeht, will Österreich bei der Abgasuntersuchung von Pkws, Lkws und Motorrädern auf die sogenannte Endrohrmessung verzichten.

Das allerdings nur bei modernen Fahrzeugen mit Diagnosesoftware, deren On-Board-Diagnose-Daten (OBD) ausgelesen werden können und auch keine Fehler melden. In den Erläuterungen rechtfertigt das Ministerium den Verzicht mit Motorschutz. Man wolle die bei herkömmlichen Abgastests vorkommenden Vollgasstöße hintanhalten, weil diese immer wieder zu Motorschäden führten.

"Manipulationen werden attraktiver"

Den Einsatz von Manipulationssoftware, wie sie von VW verbotenerweise massenhaft eingesetzt wurde, könne man dann nicht mehr aufspüren, warnt die Umweltanwaltschaft des Landes Niederösterreich in ihrer Stellungnahme. In Deutschland sind Endrohrmessungen (für Feinstaub) seit 2018 wieder Pflicht – als Folge des Dieselskandals. Mit der vorgesehenen Verordnungsänderung "werden Softwaremanipulationen noch attraktiver, weil diese noch schwieriger als bisher entdeckt werden können", so Niederösterreichs Umweltanwaltschaft.

Wie effektiv die VW-Schummelsoftware gearbeitet hat, darauf gibt das Gutachten des Gerichtssachverständigen in einem Verfahren vor dem Landesgericht Linz Hinweise. Ein Kfz-Halter hatte geklagt, weil ihm 2015 ein VW Tiguan mit Manipulationssoftware, also geschönten Abgaswerten, verkauft worden war.

Das im September durchgeführte und im Dezember dem Gericht zugeleitete Gutachten, dessen Veröffentlichung Volkswagen beziehungsweise deren Österreich-Ableger Porsche Holding mittels eines großzügigen Angebots an den Kläger zu verhindern gesucht hatte, kommt zu folgendem Ergebnis: Verlässt das Fahrzeug auf dem Prüfstand den "Sauber-Modus", indem es wenige Sekunden lang schneller oder langsamer fährt, schnellt der NOX-Ausstoß um bis zu 150 Prozent hoch. Statt 159 Milligramm pro Kilometer kommen bei drei bis fünf Sekunden im "Schmutzmodus" (ohne Manipulationssoftware) 374 bis 433 mg/km aus dem Auspuff – je nach Dauer des Ausritts aus dem für Prüfstandstests maßgeblichen NEFZ-Fahrzyklus (siehe Grafik). Bei zwei Sekunden außerhalb des NEFZ-Zyklus blieben die NOX-Werte mit 148 bis 164 mg/km überwiegend innerhalb des Erlaubten.

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VW legt Quellcodes nicht offen

Da sich Volkswagen beharrlich weigert, die Quellcodes der vom deutschen Kraftfahrtbundesamt als verbotene Abschalteinrichtung qualifizierten Manipulationssoftware offenzulegen, trickste Gutachter Werner Tober vom Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik der TU Wien die Schummelsoftware aus. Er gaukelte der Motorsteuerung vor, sich nicht mehr auf dem Prüfstand zu befinden, sondern auf der Straße. Einen anderen logischen Grund – außer der durch den geringen Lastwechsel abgeschalteten Manipulationssoftware – fand der Gutachter nicht, folgert Klägeranwalt Michael Poduschka, nachdem das Gutachten in einem anderen VW-Verfahren von der Richterin beigeschafft und verlesen wurde. VW lehnt das Ergebnis wie das gesamte Test-Procedere als unzulässig ab.

Offiziell erörtert wird die Expertise bei der nächsten mündlichen Verhandlung, die frühestens im März stattfindet. "Ohne Schummelsoftware hätten 8,4 Millionen Fahrzeuge europaweit keine Zulassung bekommen", sagt Anwalt Poduschka., sie wären damit unverkäuflich gewesen. (Luise Ungerboeck, 15.1.2018)