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Präsident Zeman in Pole Position.

Foto: Michal Kamaryt/CTK via AP

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Herausforderer Drahoš wittert seine Chance.

Foto: AP Photo/Petr David Josek

Prag – Der Countdown bis zum Wahlschluss lief ins Leere. Hochrechnungen oder Prognosen gab es nämlich keine, als in Tschechien am Samstag um 14 Uhr die Wahllokale schlossen. Auch im Veranstaltungslokal im Industrieambiente des Prager Stadtteils Holešovice, wo der bürgerlich-liberale Präsidentschaftskandidat Jiří Drahoš zur Wahlparty geladen hatte, herrschte nur ruhige Geschäftigkeit. Über die Großbildleinwand flimmerten zwar die ersten Ergebnisse, doch wer bei einem Auszählungsgrad von nur wenigen Prozent wie weit in Führung liegt, das ließ zunächst sogar die Experten und Politstrategen vor Ort kalt.

Erst als Drahoš etwa zwei Stunden später vor seine Anhänger trat, brandete Jubel auf. Inzwischen war klar geworden: Der amtierende Präsident Miloš Zeman hat es nicht geschafft, bereits in der ersten Runde eine absolute Mehrheit zu erzielen. Er erhielt lediglich 38,6 Prozent der Stimmen und muss sich in zwei Wochen einer Stichwahl stellen. Sein Gegner wird Jiří Drahoš heißen, der mit 26,6 Prozent auf Rang zwei kam. Alle anderen der insgesamt neun Kandidaten landeten weit abgeschlagen auf den Plätzen.

"Wir wollen einen Wechsel an der Spitze des Staates", sagt einer der Drahoš-Anhänger, die sich in Holešovice eingefunden haben. Für die Leute hier verkörpert Zeman, der bereits seit Mitte der 1990er-Jahre eine zentrale Rolle in der tschechischen Politik spielt, verkrustete Machtstrukturen, eine Radikalisierung der Rhetorik und eine auffallend starke Hinwendung zu Russland oder China.

Referendum über Zeman

Der Chemiker Drahoš hatte sich als das Gegenteil präsentiert: Als früherer Chef der tschechischen Akademie der Wissenschaften kommt er nicht aus der Kaste der Berufspolitiker. Er wählt seine Worte betont bedacht und tritt für eine feste Verankerung Tschechiens in der EU und der Nato ein.

Dass der Jubel im Drahoš-Lager trotz des Abstands von zwölf Prozentpunkten zu Zeman so groß war, lag ausgerechnet an der polarisierenden Wirkung des Staatschefs. Beobachter hatten im Vorfeld der Wahl davon gesprochen, dass der Urnengang in erster Linie ein Referendum über Miloš Zeman sei. In der Tat spaltet dieser das Land in zwei Lager. Daher sehen die Unterstützer von Drahoš eine nicht geringe Chance, dass Zeman bereits im ersten Wahlgang einen Großteil seiner Kapazitäten ausgeschöpft haben könnte und sich die Wähler der geschlagenen Bewerber nun mehrheitlich um den Zweitplatzierten scharen werden.

Die ersten Reaktionen anderer Kandidaten scheinen diese These zu bestätigen. Gleich fünf der sieben restlichen Bewerber gaben für die Stichwahl eine Empfehlung für Drahoš ab. Darunter sind der Drittplatzierte Pavel Fischer, ein Diplomat, der sich im Wahlkampf betont proeuropäisch geäußert hatte und auf mehr als zehn Prozent der Stimmen kam, oder der Songtexter Michal Horáček, der knapp über neun Prozent erhielt. Dasselbe gilt auch für den linksliberalen Marek Hilšer (8,8 Prozent) und für den konservativen Expremier Mirek Topolánek, der einen auffallend intensiven Wahlkampf geführt hatte und für den 4,3 Prozent eine herbe Niederlage bedeuten.

Nun doch ein Wahlkampf

Zeman muss sich nun aus der Deckung wagen. Vor der ersten Runde hatte er erklärt, keinen Wahlkampf führen zu wollen. Dementsprechend beteiligte er sich auch nicht an TV-Debatten. Jiří Drahoš forderte ihn noch am Abend zu einer TV-Konfrontation vor der Stichwahl auf.

Etwas später lächelt auf der Wahlparty in Holešovice Zeman von den Bildschirmen und nimmt die Herausforderung an. Bald darauf brandet erneut Jubel auf. Der Viertplatzierte Michal Horáček ist in Holešovice eingetroffen, um Drahoš zu gratulieren – und um ihm für den Wahlkampf vor der Stichwahl seine Plakatflächen zur Verfügung zu stellen. Spätestens ab jetzt ist die Präsidentschaftswahl in der Tat ein Referendum über Zeman. (Gerald Schubert aus Prag, 14.1.2018)