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Mit britischem Geschenkkorb zu Brexit-Verhandlungen: EU-Kritiker Steven Woolfe.

Foto: Reuters/FRANCOIS LENOIR

Kann der Brexit doch noch abgewendet werden? Der Hoffnung britischer Proeuropäer hat jetzt ausgerechnet der Nationalpopulist Nigel Farage Auftrieb verliehen. "Vielleicht sollten wir ein zweites Referendum durchführen", sagte der frühere Chef der EU-feindlichen Ukip in britischen Medien.

Während der Brexit-Vorkämpfer mit erneuter Zustimmung für seine Position rechnet, lassen jüngste Umfragen jedoch das Gegenteil erwarten: Einer am Freitag veröffentlichten Umfrage der Beratungs- und Meinungsforschungsagentur Comres zufolge würden die Briten derzeit mit 55:45 Prozent für den Verbleib im Brüsseler Klub stimmen.

Bisher hatten sich Demoskopie-Experten wie Politikprofessor John Curtice von der Glasgower Strathclyde-Universität skeptisch bezüglich einer zweiten Volksabstimmung geäußert. Zum einen habe sich die Stimmung unter den Wahlberechtigten seit dem 52:48-Prozent-Ergebnis vor achtzehn Monaten nicht wesentlich verändert, zum anderen gebe es wenig Appetit auf ein zweites Votum, dem wieder eine monatelange erbitterte Kampagne vorausgehen würde.

Neue Zahlen

Tatsächlich deuteten die Umfragen bisher darauf hin, dass nur rund ein Viertel der Briten ein zweites Mal abstimmen wollte. Die Comres-Befragung für das Labour-nahe Boulevardblatt "Daily Mirror" ermittelte nun immerhin 43 Prozent Abstimmungswillige, dem Konkurrenzunternehmen Yougov sagten sogar beinahe die Hälfte der Befragten, sie wollten per Stimmzettel ihre Ansicht zum Austrittsdeal der Regierung äußern.

Die Briten hätten "jedes Recht dazu, ihre Meinung zu ändern", sagen übereinstimmend der frühere Premierminister Tony Blair, dessen langjähriger Mitarbeiter und Ex-Verkehrsminister Andrew Adonis sowie eine aktuelle Labour-Nachwuchshoffnung, der 39-jährige Chuka Umunna. Hingegen hat sich der Oppositionsführer und Labour-Chef Jeremy Corbyn, selbst ein eingefleischter EU-Skeptiker, bisher stets gegen die Möglichkeit gesträubt, das knappe Votum vom Juni 2016 auf den Prüfstand zu stellen.

Farage rudert zurück

Ukip-Mann Farage ruderte am Freitag in einem Artikel für den "Daily Telegraph" zurück: Er fordere nicht aktiv eine zweite Abstimmung; die Brexit-Befürworter müssten aber dennoch damit rechnen und sich auf eine zweite Kampagne vorbereiten. "Denn die EU-Freunde werden nie, nie, nie aufgeben."

Unterdessen bleibt die konservative Regierung unter Premierministerin Theresa May auch nach der Kabinettsumbildung vom Wochenbeginn auf ihrem harten Brexit-Kurs, der den Austritt aus Binnenmarkt und Zollunion einschließt. Bei den bevorstehenden Verhandlungen werde sie den Finanzsektor als Priorität behandeln, versicherte die Regierungschefin bei einem Termin einer Gruppe hochkarätiger Banker in der Downing Street. Zu den Teilnehmern des als "konstruktiv und ermutigend" beschriebenen Treffens gehörten auch Deutsche-Bank-Chef John Cryan und der UBS-Chairman Axel Weber.

Selektiver Marktzugang

In Brüssel kursieren Vorschläge, die einzelnen Branchen auch nach dem offiziellen EU-Austritt des Vereinigten Königreichs in 15 Monaten gegen Bezahlung einen Zugang zum Binnenmarkt ermöglichen würden. Einstweilen hat London nur um eine Übergangsphase bis Ende 2020 gebeten. In dieser Zeit nimmt die Insel weiterhin alle Pflichten eines EU-Mitglieds einschließlich Milliardenzahlungen in den Brüsseler Haushalt wahr, ohne aber weiter am Konferenztisch zu sitzen. (Sebastian Borger aus London, 12.1.2018)