Präzises Ausloten von Raum, Proportion und Material: Walter Pichlers "Frau aus Metall" (1990).

Foto: Bernhard Sickert / Galerie Elisabeth & Klaus Thoman

Er schuf archaische Geschöpfe aus Metall, Gips oder Holz: Walter Pichler, 2012 verstorbener, eigenwilliger Grenzgänger zwischen Architektur, Skulptur und Design. Seinen Arbeiten schuf Pichler meist auch eigene Behausungen – in St. Martin im Burgenland. Dort hatte der 1936 in Südtirol geborene und in Tirol aufgewachsene Künstler von 1972 bis zu seinem Tod ein Gehöft sukzessive zum Wohnort und präzisen räumlichen Kontext für seine Plastiken umgebaut.

Die fünf für die Ausstellung Schmetterling Gebäude und Frau aus Metall in der Galerie Thoman in Innsbruck ausgewählten Skulpturen sind hingegen schon vorher oder unabhängig davon entstanden, teilen also gewissermaßen das Schicksal, als freie Reisende eine neue Bleibe zu suchen. Gehegt und umsorgt waren sie aber nicht minder. Für Alte Figur, entstanden 1960-63, hat Pichler in seinem Wiener Atelier ein Nachtlager direkt neben dem seinen bereitet. Und jeden Abend hat er sie in die Horizontale "zu Bett" gelegt.

Pichlers elementare bildhauerische Motive und Formen ziehen sich durch die präsentierten Werke: flügelförmige Symmetrien, Zweiteiligkeit, die nach unten hin zu einer Form verschmilzt, dichtgepackte tempelartig angeordnete Säulen und die oft erst später ergänzten Sockel, Halterungen und Werkbänke, die den Plastiken eine Art stützenden Raum hinzufügen.

Denken im Zeichnen

Überhaupt sind es – wie immer bei Walter Pichler – architektonisch gedachte Skulpturen oder skulpturhafte Architekturen. Manche Volumen, Rippen und Röhren erinnern an die provokanten Raum-Utopien und visionären Prototypen, die Pichler im Wien der 1960er-Jahre mit Architekten wie Hans Hollein und Raimund Abraham entwickelte, ausgestellt unter anderem im Museum of Modern Art in New York.

Technoide Prothesen für eine mediatisierte Welt waren für den Bildhauer damals Thema, und seine Designentwürfe, wie etwa der Galaxy-Chair aus Aluminium, offenbarten die Inspiration durch Flugzeug- oder Autobau. Es ist jeweils das präzise Ausloten von Raum, Proportion und Material, das beeindruckt. Es faszinieren aber auch Pichlers Zeichnungen: Ganze Gruppen begleiten die Skulpturen der Ausstellung, deren jüngste, Frau aus Metall, 1990 fertiggestellt wurde. Niemals sind die Zeichnungen aber genaue Abbildungen oder Baupläne des Dreidimensionalen. Vielmehr sind sie eigenständige, fließende Gedanken, die sich in zahllosen Varianten an eine Form herantasten, die locker hingeworfen oder als präzise konstruierte Axonometrien, manchmal auch als Gouachen ausgeführt sind. Für Pichler wurde die Zeichnung zur wichtigsten Form des Denkens. (Nicola Weber, 16.1.2018)