Rom – Das Römer Wetter hätte nicht passender sein können: Trüb, regnerisch und kühl war es in der Ewigen Stadt an dem Tag, an dem für den offiziellen Weihnachtsbaum auf der zentralen Piazza Venezia das letzte Stündlein schlug. Bevor die Lichter des Baums am Donnerstagabend um 19.08 Uhr ausgemacht wurden und Arbeiter der Stadt die 3.000 Lämpchen und 600 Kugeln abzuhängen begannen, hatte eine ihm eine Delegation der Stadtregierung mit einer kleinen Feier noch die letzte Ehre erwiesen; auch mehrere Dutzend Römerinnen und Römer begaben sich auf die Piazza, um der Fichte (Picea abies), deren Nadelkleid von Anfang an stark gelichtet war, "addio" zu sagen.

"Tausende Bürgerinnen und Bürger haben Botschaften der Zuneigung an den Ästen befestigt", sagte Umweltstadträtin Pinuccia Montanari bei der melancholischen Abschiedsfeier. Diese Botschaften sollen in Kürze in einem Buch veröffentlicht werden.

Kümmerlicher Zustand

Dem Baum waren zuletzt die Herzen zugeflogen – nachdem er in den ersten Wochen für ätzende Kritik an Bürgermeisterin Virginia Raggi und für Schlagzeilen auf der ganzen Welt gesorgt hatte. Sogar einen Namen hatte der 21 Meter hohe Baum erhalten erhalten: Statt "albero natale" (Weihnachtsbaum) nannten ihn die Römer nur "spelacchio". Das bedeutet so viel wie: halb kahl, spärlich gefiedert, schäbig, räudig.

Für die Opposition war die kümmerliche Fichte zwei Monate vor der Parlamentswahl ein gefundenes Fressen: "Spelacchio" wurde zum Sinnbild für das Versagen der Stadtregierung unter der Fünf-Sterne-Politikerin Raggi, zu einem Emblem für den Niedergang der Stadt unter den unfähigen "Grillini".

Der 39-jährigen Bügermeisterin wurde vorgerechnet, dass der Baum inklusive Transport aus dem Val di Fiemme im Trentino die Steuerzahler fast 50.000 Euro gekostet habe. Tatsächlich hat sich diese Woche deswegen auch noch die – ansonsten durchaus ernstzunehmende – nationale Antikorruptionsbehörde eingeschaltet, die die Staatsaffäre nun untersuchen will.

Ein Baum als Politikum

Emblematisch ist der Römer Weihnachtsbaum freilich nicht für den Niedergang der Stadt, sondern für jenen der politischen Kultur in Italien. Die etwas traurige Gestalt "spelacchios" wurde von den traditionellen Parteien, die bei der Kommunalwahl im Sommer 2016 von Raggi arg gedemütigt worden waren, gezielt für eine Diffamierungskampagne eingesetzt, deren Ziel darin bestand, die bisher wenig erfolgreiche Bürgermeisterin vollends der Lächerlichkeit preiszugeben. Nach dem Motto: "Schaut euch die Dilettantin an: Nicht einmal einen ordentlichen Weihnachtsbaum kann sie beschaffen."

Hasskampagnen gegen Politikerinnen

Raggi ist in Italiens Politik nicht das einzige weibliche Opfer. Auch gegen die Präsidentin der Abgeordnetenkammer, Laura Boldrini, läuft seit Monaten eine widerwärtige Hasskampagne. Die ehemalige UNHCR-Sprecherin, die sich für einen menschlichen Umgang mit Migranten auszusprechen erfrecht, muss im Internet regelmäßig lesen, sie möge doch von einem Einwanderer vergewaltigt werden.

Auch gegen Staatssekretärin Maria Elena Boschi von der Regierungspartei PD wird hemmungslos gehetzt: Weil Boschis Vater Vizepräsident einer Pleitebank war, wird nun in jeder Talkshow ihr Kopf gefordert, statt dass die Diskussionsteilnehmer auch einmal über die Gier und die Betrügereien der Bankmanager reden würden.

Raggi wird nicht mehr antreten

Die drei Politikerinnen wehren sich zwar gegen die Angriffe und Unterstellungen – aber zumindest die Römer Bürgermeisterin hat innerlich vor dem Dauerbeschuss durch ihre Gegner und die Medien kapituliert. Sie werde bei der nächsten Wahl nicht mehr antreten, erklärte Raggi schon vor Weihnachten: "Ich bin schon froh, wenn ich den Rest der Amtszeit überlebe." (Dominik Straub aus Rom, 12.1.2018)

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