Wer an der Oberfläche kratzt, könnte meinen, es ist alles okay in Niederösterreich. Die Novelle des Wahlrechts bringe mehr Rechtssicherheit, sagt die Landesregierung. Immerhin gibt es nun das "Wählerevidenzblatt". Mit dessen Hilfe haben die Bürgermeister zu entscheiden, welche Bürger mit Nebenwohnsitz bei der Landtagswahl stimmberechtigt sind. Auch viele Juristen sind der Auffassung, das passe schon. Wichtige Regionalmedien berichten darüber schon gar nicht, obwohl die Grünen seit fast einem Jahr darauf aufmerksam machen.

Wer sich allerdings die Mühe macht und mit den Betroffenen spricht, weiß: Es liegt einiges im Argen, zwei Wochen vor der Landtagswahl. Die Überprüfung, ob ein Wohnsitz "ordentlich" ist (und damit zur Wahl berechtigt) oder nicht, stürzt Städte und Gemeinden teils in enorme Unkosten – oder die betroffenen Amtszimmer ins Chaos. Ein Beamter nennt es gar "das dümmste Gesetz, das ich in 34 Dienstjahren gesehen habe".

Das Wahlrecht in Niederösterreich wurde zum Fleckerlteppich. In Gemeinde A reicht es aus, ein Büro im Ort zu haben, in Gemeinde B nicht. Manche Zweitwohnsitzer bleiben in der Wählerevidenz, obwohl sie das Formular nicht zurückgeschickt haben – manche antworteten und werden dennoch gestrichen. Die Landesregierung hat nun tausenden Bürgern zu erklären, wieso sie ihr Wahlrecht verloren haben, ein Bürger aus der Nachbargemeinde aber trotz gleicher Bedingungen seine Stimme abgeben darf.

573 Gemeinden beim Wahlrecht Spielraum zu geben, führt zu 573 unterschiedlichen Regelungen. Es gibt aber nur eine Wahl, und die findet landesweit statt. So sollten auch die Regeln dafür sein. Fair und nachvollziehbar wäre es etwa, nur Personen mit Hauptwohnsitz in einer niederösterreichischen Gemeinde zur Wahl zuzulassen. Die aktuelle Regelung ist unbefriedigend – und ungerecht. (Sebastian Fellner, 11.1.2018)