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Premier Andrej Babiš (links) genießt das Vertrauen von Präsident Miloš Zeman.

Foto: AP/Petr David Josek

Prag/Wien – Es ist nur auf den ersten Blick ein Widerspruch: In Prag überschlagen sich dieser Tage die Ereignisse, und dennoch verharrt die tschechische Politik in eigentümlicher Stagnation. Wie gebannt blicken alle auf eine Regierung, die ohne ausgehandelte Parlamentsmehrheit ans Ruder kam, und auf die bevorstehende Präsidentschaftswahl, die mit den politischen Parteien zwar so gut wie nichts zu tun hat, die politische Landschaft aber für die nächsten fünf Jahre prägen dürfte. Zudem droht eine Betrugsaffäre das Land zu lähmen. Und irgendwie hängt dabei natürlich alles mit allem zusammen.

Die jüngste Regung mitten in der Prager Winterstarre: Der neue Premier Andrej Babiš startete am Mittwoch den ersten Versuch, für sein bereits amtierendes Kabinett das Vertrauen des Abgeordnetenhauses zu bekommen. Nach einer lebhaften Debatte wurde die Abstimmung auf nächsten Dienstag verschoben. Aber auch dann deutet alles auf eine Niederlage mit Ansage hin: Babiš' liberal-populistische Partei Ano hatte die Wahlen im Oktober mit knapp 30 Prozent der Stimmen zwar klar gewonnen, ist aber von einer absoluten Mehrheit weit entfernt – und fand keine Partner für eine Regierungskoalition.

Garantien gesucht

An dieser Stelle kommt Präsident Milos Zeman ins Spiel, der sich ab Freitag um seine Wiederwahl bewirbt: Er ernannte Babiš im Dezember zum Chef eines Kabinetts aus Ano-Politikern und parteilosen Experten, ohne dass dieser mit ausreichender Unterstützung für seine Minderheitsregierung rechnen konnte. Zeman aber kümmerte das wenig: Er hatte sogar angekündigt, Babiš nötigenfalls erneut mit der Regierungsbildung zu beauftragen.

Als der Präsident am Mittwoch von der Prager Burg hinunter ins Abgeordnetenhaus kam, um dort um Stimmen für seinen Schützling Babiš zu werben, nannte er dafür immerhin eine Bedingung: Vor einem zweiten Versuch, eine handlungsfähige Regierung zustande zu bringen, müsse Babiš ihm Unterstützungsgarantien von 101 Abgeordneten vorlegen – was der absoluten Mehrheit in der 200-köpfigen Kammer entspricht.

Schwenk

Prager Medien sprechen von einem unerwarteten Schwenk. Zuvor nämlich hatte Zeman damit gedroht, Babiš auch ohne Vertrauen des Parlaments im Amt zu halten und von seinem Recht, Neuwahlen auszuschreiben, keinen Gebrauch zu machen: In der tschechischen Verfassung, frohlockte Zeman, stehe an der betreffenden Stelle "das schöne Wort 'kann' – und nicht 'muss'".

Sein Teilrückzieher am Mittwoch kann – angesichts der drohenden Niederlage im Parlament und kurz vor der morgen beginnenden Präsidentschaftswahl – auch als Signal an die Wähler gewertet werden, die sich nach Stabilität im Land sehnen. Dass nämlich eine Regierung ohne Mehrheit nur beschränkt handlungsfähig wäre, das weiß auch Zeman.

Der machtbewusste Präsident war bis 2001 Chef der Sozialdemokraten, später verließ er die Partei im Streit. Zuletzt fiel er vor allem durch seine Antimigrationspolitik auf, den Islam bezeichnete er einmal als "Religion des Hasses". In die erste Runde der Präsidentschaftswahl am Freitag und Samstag geht er als Favorit. Erreicht dort keiner der insgesamt neun Kandidaten eine absolute Mehrheit, gibt es zwei Wochen später eine Stichwahl. Als aussichtsreichster Gegner Zemans gilt der Chemiker Jiří Drahoš, ehemaliger Chef der tschechischen Akademie der Wissenschaften. Er wird vor allem von einigen konservativen Politikern unterstützt

Causa Storchennest

Als echter Parteikandidat geht jedoch niemand ins Rennen. Der polternde, aber populäre Zeman gibt ohnehin gerne den Einzelgänger. Und wie es scheint, will auch keine Partei die Kosten, Mühen und Risiken auf sich nehmen, jemanden gegen ihn in den Wahlkampf zu schicken. Trotzdem: Zeman braucht die Stimmen vieler Ano-Wähler, wenn er weiter auf der Prager Burg residieren will. Sein Festhalten an Babiš – Parlament hin oder her – ist auch vor diesem Hintergrund zu sehen.

Doch der Milliardär Babiš hat auch ein juristisches Problem: Für das mittelböhmische Freizeitareal Čapí hnízdo ("Storchennest") soll er unrechtmäßig EU-Subventionen für Klein- und Mittelbetriebe bezogen haben, indem er es vorübergehend aus seiner milliardenschweren Holding Agrofert ausgliederte. Erst am Dienstag hat der zuständige Parlamentsausschuss über einen Antrag der Polizei beraten, die Immunität des Premiers aufzuheben. Eine Entscheidung steht noch aus. Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (Olaf) hatte zuvor einen Bericht nach Prag geschickt, in dem laut tschechischen Medien ebenfalls von Falschinformationen im Subventionsantrag aus dem Jahr 2008 die Rede ist – eine Steilvorlage für all jene Parteien, die dem Wahlsieger weiterhin die Unterstützung im Parlament verweigern wollen.

Auch wenn also sämtliche Akteure einander in Schach halten und sich genau deshalb kaum etwas bewegt: In Tschechien bleibt es spannend. Bei der Präsidentschaftswahl ab morgen sind nun einmal die Bürger am Wort. (Gerald Schubert, 10.1.2018)