Das Hip-Hop-Duo Kreiml & Samurai will es wissen: Tut er es – oder tut er es nicht? Wien ist nicht nur die Hauptstadt der Raunzer und Owezahrer, sondern auch ein letztes Refugium der Paternoster.

Foto: Olivia Felix Schwarz

Wien – Eine kürzlich in Deutschland erhobene Statistik über die meistbesungenen Städte der Welt ergab mit der Platzierung auf dem Siegerstockerl ein wenig überraschendes Ergebnis: New York belegt mit 30.867 Titeln Platz eins. Daran sind nicht nur Frank Sinatra oder Alicia Keys schuld, sondern vor allem der Coolness-Faktor im Allgemeinen und wohl auch die Tatsache, dass die Stadt eben auch voll das kapitalistische Ellenbogenleben und Survival of the Fittest und so ist.

Ganz Paris träumt von der Liebe mit 20.007 Liedern auf Platz zwei, denn dort ist sie ja zu Haus. Und London bekommt mit 14.805 Songs Bronze, obwohl sich hier in die Lieder oft auch schon wesentliche Kritikpunkte und Protestnoten einschleichen, weil so leiwand, wie die Leute tun, ist die außerhalb der Circle Line schnell einmal ins Kleinstädtische lappende Metropole dann auch wieder nicht. Das bekannteste Lied über London ist London Calling von The Clash. Darin geht die Welt unter. Noch Fragen?

honigdachs

Wien rangiert als "Welthauptstadt der Musik" (Himmel, hilf!) in dieser Liste mit 3512 Nennungen immerhin auf dem siebenten Platz. Das ist knapp vor Amsterdam (!!!) und Madrid (!). Abseits von Walzer, Wein, einem feuchtfröhlich und frisch paniert in die Tourismusbranche ausstrahlenden Gesamtbild, inklusive eines Herzens aus Katzengold sowie Franz und Sisi und einem Fluss, der als einziger hier nicht blau ist, dürfte Wien aber mit großer Wahrscheinlichkeit den Rekord an Klage- und Schimpfliedern halten.

Wenn es uns nämlich einmal gutgehen würde, dann würde es uns nicht gutgehen. Weil wir von der Grundeinstellung her nicht etwa sagen, dass etwas, das wir gut finden, einfach gut ist. Wir sagen dazu: Ganz Oasch ist es eh nicht. Überhaupt wird die Grenze zwischen am Oasch und im Oasch streng gezogen. Sonst geht es eher laff zu. So schaut es aus.

Die lange Reihe von Owezahrergesängen, Raunzereien und Sudereien sowie mieselsüchtigen Beschwerdechören fußt dabei prototypisch etwa auf Heller und Qualtinger und: "Wean, du bist a Taschenfeitl / Unter an Himmel aus Schädelweh / A zehnmal kochtes Burenheidl / Auf des i ned haas bin und trotzdem steh!" Klar, ein wenig super lebt es sich in Wien dann ja doch.

Leberkäse aus Lipizzanern

Man könnte diese Reihe über Ambros, Danzer und Ganz Wien bis zu Voodoo Jürgens und 3 Gschichtn ausn Café Fesch tagelang fortsetzen. Neben den seit einigen Jahren immer im Herbst erscheinenden Wienmusik-Samplern des Monkey-Labels und den darauf präsentierten, stilistisch bunt zwischen Hipsterheurigenquengelei und Indierock für Influencer zerspragelten Künstlern tut sich dabei immer auch der heimische Hip-Hop leicht, wenn es um die Beschreibung der Lebensumstände beziehungsweise dieses scheinbaren Lebensgefühls namens Wien geht.

Als aktuelles und charmantes Beispiel (die Betonung liegt auf herb!) muss dabei das Wiener Hip-Hop-Duo Kreiml & Samurai angesehen werden. Die haben mit Wuff Oink soeben ein neues Dialektrapalbum herausgebracht. Es beinhaltet mit dem Lied Wiener eines der schönsten antihymnischen Gegenbeispiele zur Positiven Psychologie, das über die Stadt je angeführt wurde. Basierend auf einem Wienerlied-Sample der Marke Die drei Schasquasteln wird gleich mit den ersten Zeilen gemeinsam mit Gastrapper Monobrother zu fetten Beats das Programm abgesteckt: "Unsere positivste Seite ist die Negativität / drum is eh olles fian Oasch trotz bester Lebensqualität ..."

Was folgt ist eine Tirade über Karl Lueger und alte Nazis, Lipizzanerleberkäse, den ersten Bezirk, Hüftoperationen, hässliche Seelen und das Geimpfte, das einem deswegen aufgehen mag. Das dazugehörige Youtube-Video wurde in Margareten rund um den Matzleinsdorfer Platz gedreht. Das ist die hässlichste Gegend Wiens, abgesehen von den anderen 22 Bezirken. Kreiml & Samurai verwenden als Bandlogo einen Schweinehund. Dieser geht gerade auf Österreich-Tour. Auf dem Land steht bekanntlich auch nicht alles zum Besten.(Christian Schachinger, 10.1.2018)