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Geht es nach der Regierung, soll der Familienbonus nur für Kinder, die in Österreich leben, gewährt werden.

Foto: Getty/Christof Koepsel

Wien – Dass es beim Familienbonus ein "Austria first"-Prinzip geben könnte, dass also im Ausland lebende Kinder leer ausgehen sollen, scheint nur ein frommer Wunsch der türkis-blauen Regierung zu sein. Experten halten das Ansinnen, den Bonus auf in Österreich lebende Kinder zu beschränken, für wenig realistisch.

Beitrag aus der "ZiB 1" vom Mittwoch.
ORF

Schließlich gelte auch in Österreich das durch eine EU-Richtlinie verankerte Prinzip, dass Arbeitskräfte aus anderen EU-Ländern hier in Bezug auf Steuerrecht und Sozialleistungen gleichgestellt werden müssen. Ausnahmen sind nur in ganz wenigen Fällen möglich.

"Kein Rechtfertigungsgrund" für Maßnahme

"Ich sehe hier keinen Rechtfertigungsgrund", sagt Europarechtler Walter Obwexer von der Universität Innsbruck zum STANDARD. Zumal es sich um Menschen handelt, die zuvor ins System eingezahlt haben.

Dazu kommt, dass der Europäische Gerichtshof bereits in einer anhängigen Rechtssache eine Klarstellung in der Frage getroffen hat, wie Steuerberater Gottfried Schellmann zum STANDARD sagt. Demzufolge ist es egal, wo ein Kind lebt: Solange ein Arbeitnehmer fast sein gesamtes Einkommen im Beschäftigungsstaat erzielt, hat die Familie in jedem Fall Anspruch auf ein bestimmtes soziales oder steuerliches Recht.

EU wird Österreich "auf die Finger klopfen"

Ähnlich argumentiert Europarechtler Franz Leidenmühler von der Uni Linz. Er glaubt, dass die EU-Kommission Österreich schon sehr bald nach Inkrafttreten des Bonus "auf die Finger klopfen wird" – also ein Vertragsverletzungsverfahren anstrengen wird. Im Finanzministerium heißt es dazu nur, man arbeite an einer europarechtskonformen Lösung.

Der Familienbonus ist jedenfalls nicht die erste Materie, die aus europarechtlicher Sicht umstritten ist. Wie berichtet, plant die türkis-blaue Regierung auch bei der Familienbeihilfe, dass im Ausland lebende Kinder in der Regel schlechtergestellt werden als im Inland lebender Nachwuchs. Konkret wird die Familienbeihilfe an die Lebenshaltungskosten des Landes angepasst, in dem das Kind lebt. Heißt konkret: Für Kinder, die in Osteuropa leben, gibt es weniger Geld, für Kinder in wohlhabenderen Staaten wie der Schweiz oder Schweden bekommen die Eltern hingegen eine höhere Familienbeihilfe.

Expertenstreit über Zulässigkeit

Die Regierung beruft sich in Sachen Indexierung auf ein Gutachten des Arbeitsrechtlers Wolfgang Mazal, andere Experten wie die erwähnten Europarechtler Leidenmühler und Obwexer oder auch der Arbeitsrechtler Franz Marhold halten hingegen auch dieses Vorhaben der laut Koalitionsprogramm proeuropäischen Regierung für mit Unionsrecht nicht vereinbar. (go, sterk, 10.1.2018)