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Forellen haben ein weites Verbreitungsgebiet – sie kommen in vielen Flüssen und Seen Europas, aber auch im Atlantik vor. Dennoch ist ihre natürliche Vermehrung mancherorts stark eingeschränkt, da es an geeigneten Laichplätzen fehlt.
Foto: Picturedesk / Picture Alliance/ A. Hartl

Lausanne – Auch der Spätherbst kann im Wallis idyllisch sein – wenn die Sonne scheint. Ihr Licht verleiht der Landschaft rund um den Canal du Gru bei Martigny einen warmen Schimmer. Der Kanal wurde einst zur Bewässerung der Landwirtschaftsflächen angelegt, sagt Matteo Roncoroni, angehender Geograf an der Universität Lausanne. Das Gewässer ist meist kerzengerade, naturnahe Strukturen sind die Ausnahme. Fische gibt es dennoch. Eine Bachforelle, gut sichtbar im kristallklaren Wasser, hat die Menschen an Land bemerkt und ergreift die Flucht. Doch sie hat nichts zu befürchten.

Forellen sind Roncoronis große Leidenschaft – auch wissenschaftlich. Der Tessiner hat die Fische in den Fokus seiner Masterarbeit gestellt. Für ihre Fortpflanzung benötigen die Tiere rasch fließendes Wasser mit lockeren Kiesböden, erzählt er. Die befruchteten Eier werden zwischen den Steinchen vergraben, der Durchfluss garantiert trotzdem eine ausreichende Sauerstoffversorgung.

Aber gute Laichplätze sind selten geworden. Vielerorts bremsen Staudämme die Strömung und verändern den Sedimenthaushalt, Wasserkraftanlagen entziehen den Flüssen ihr Nass. Die Vermehrung der Forellen wird dadurch immer stärker behindert. Über das Ausmaß der Störungen herrscht allerdings oft Unklarheit. Roncoroni will dieses Problem durch den Einsatz von Drohnen angehen. Von oben herab soll ein besserer Einblick in das Geschehen am Gewässergrund gelingen.

Praxistest

Am Canal du Gru testet Roncoroni die Praxistauglichkeit seiner Idee. Kollege Jonathan Molina hat die GPS-Basisstation aufgestellt. Ihre Aufgabe ist es, die relativ ungenaue Satellitenpeilung der Drohne zu korrigieren und sie in das Schweizer Koordinatensystem einzupassen. Die geografischen Daten müssen zentimetergenau sein. Der Hintergrund: Das Fluggerät macht während seines Einsatzes ständig Luftaufnahmen. Zu jedem einzelnen Foto wird die aktuelle Position der Drohne registriert. Nur wenn diese Koordinaten exakt sind, lassen sich die Bilder später nicht zu einem detaillierten Modell der Landschaft zusammenfügen. Zur Korrektur legen die Jungwissenschafter zwölf verschiedene Kontrollpunkte im direkten Umfeld des Kanals fest und markieren diese mit roten Kreuzen. Letztere sind auf den Luftaufnahmen deutlich sichtbar. Die Fixpunkte mit ihren festgelegten Koordinaten ermöglichen die Eichung der weiteren Daten. Sie verankern praktisch die Modellrechnungen.

Die Drohne ist startbereit. Roncoroni schaltet den Antrieb ein. Es ist ein handelsüblicher Apparat, nichts Besonderes. Ein kurzer Check, dann steigt das Gerät vertikal auf 30 Meter Höhe und beginnt seine Arbeit. Die Flugbahn ist vorprogrammiert.

Über die Steuerung ist das Klicken der Kamera zu hören – alle zwei, drei Sekunden eine Aufnahme. Aufeinanderfolgende Bilder müssen sich zu mindestens 80 Prozent überlappen, sagt Roncoroni. Nur so bekomme man ausreichend Einblick in die Bodenstruktur. "Am besten funktioniert es bei bewölktem Himmel." Direktes Sonnenlicht reflektiert oft zu stark an der Wasseroberfläche. Nach etwa 15 Minuten Flugzeit muss die Drohne für einen Batteriewechsel zwischenlanden.

Was Roncoroni sucht, sind sogenannte Redds, Forellennester also. Die weiblichen Fische legen ihre Eier nicht wahllos am Boden ab. Stattdessen schwimmen sie ab November Stellen mit relativ grobem Substrat und einer ordentlichen Strömung an. Das Wasser darf nicht zu warm sein.

Temperatur muss stimmen

"Vor dem Laichen schiebt das Weibchen ihre Afterflosse in den Kies und fühlt, ob die Temperatur richtig ist." Stimmt diese, schlägt die Fischdame mit ihrem Schwanz eine Grube ins Bachbett. Ein Verehrer weicht derweil nicht von ihrer Seite. Er wartet geduldig, bis sie die Kinderstube fertiggestellt hat. Sobald sie ihren Laich über der Senke absetzt, gibt das Männchen sein Sperma dazu. Die jetzt befruchteten Eier sinken zu Boden. Das Weibchen setzt erneut ihre Schwanzflosse ein. Am Ende der Grube häuft sich schließlich der Kies, darin liegt der Laich vergraben – bestens geschützt gegen die hungrigen Mäuler anderer Fischarten. Für menschliche Augen indes sind frisch angelegte Redds leicht zu erkennen. Der umgewühlte Boden hebt sich hell gegen seine Umgebung ab. Doch schon nach wenigen Tagen hat sich ein dünner Belag aus Schlick und Mikroorganismen abgesetzt. Man sieht so gut wie nichts mehr.

Die Drohnentechnologie dagegen lässt tiefer blicken. Aus Dutzenden von Luftaufnahmen erstellt Roncoroni im Rechner ein dreidimensionales Modell des Gewässers mitsamt Bodenstruktur. Jede Unebenheit wird dabei sichtbar, die Auflösung beträgt zirka fünf Millimeter.

Populationen schwinden

Fachleute bezeichnen dieses Verfahren als "Structure from Motion", Struktur aus Bewegung. Die Kamera nimmt Objekte und Profile aus verschiedenen Winkeln auf, der Computer berechnet daraus ein räumliches Abbild. Das Prinzip wird bereits mit großem Erfolg in der Archäologie angewendet, unter anderem um schwer verwitterte Steininschriften wieder lesbar zu machen. Roncoroni will die Methode künftig für das automatisierte Aufspüren von Redds nutzen. "Die Herausforderung dabei ist, einen Algorithmus zu kreieren, der exakt die typischen Merkmale erkennen kann." Dann würde kaum noch ein Laichplatz dem fliegenden Auge entgehen.

Für Gewässerökologie und Artenschutz könnte der Ansatz einen Durchbruch bedeuten. Forellen kommen in vielen Flüssen vor, aber das heißt nicht, dass sich die Tiere dort auch fortpflanzen können. Manche Bestände überleben nur durch Besatzmaßnahmen mit Zuchtfischen. Andernorts scheint die natürliche Vermehrung stark eingeschränkt zu sein, die Populationen schwinden.

Die Ursachen für den Rückgang können unterschiedlich sein. Fehlen tatsächlich geeignete Laichgründe oder Habitate für Jungfische? Die Präsenz von Redds ist ein eindeutiges Zeichen von Laichaktivität, ihre Anzahl ein Hinweis auf den Bestand an fortpflanzungsfähigen Forellen. Sogar die ungefähre Größe der Muttertiere lässt sich ermitteln. Die Länge eines Redds beträgt etwa das 3,5-Fache der Länge eines weiblichen Fisches – und je größer er ist, desto mehr Eier dürften im Kies vergraben liegen. Solche Daten sind für Experten äußerst wertvoll. Bisher mussten sie mühsam zu Fuß gesammelt werden, nun können bald die Drohnen ran. (Kurt de Swaaf, 16.1.2018)