Schneiders unglaublicher Backflip in Mutters bei Innsbruck. Bei der Probe war er zu kurz und prallte auf die Lippe des Landehügels, wodurch beide Lagerschalen im Steuersatz brachen.

Foto: Stevie Schneider

Am Können mangelt es dem 24-Jährigen wahrlich nicht, wie er auch am Pumptrack beweist.

Foto: Michael Grössinger

Die Downhill-Karriere hing Schneider alsbald an den Nagel. Profisport vermieste ihm den Spaß am Biken.

Foto: Michael Grössinger

Schneiders Markenzeichen ist der Rückwärtssalto.

Foto: Michael Grössinger

Innsbruck – Mit diesem Sprung landete Stefan "Stevie" Schneider in der österreichischen Hall of Fame des Mountainbikens, so es eine gäbe. Als erster Biker wagte der 24-Jährige im vergangenen Juni einen Backflip, also einen Rückwärtssalto, über den mächtigen Whip-off-Kicker des Crankworx-Festivals in Innsbruck. "Es fühlte sich an, als würde man mit Höllentempo auf einen Wand aus Erde zufahren", erinnert er sich an diese Heldentat.

Schneiders legendärer Backflip.

Eine bemerkenswerte Leistung. Vor allem da Schneider kein Profisportler ist, sondern Radfahren lediglich als Hobby betreibt. Dafür mit Verve. Er gilt heute als eine der polarisierendsten Figuren der heimischen Gravityszene. Es sind Typen wie er, die den Geist des Mountainbikens hochhalten und ausmachen. An dieser Stelle wurden bereits einige professionelle Protagonisten des österreichischen Bergradsports porträtiert. Mit Schneider soll nun auch ein Schlaglicht auf die Amateure geworfen werden, die dem Sport seinen liebenswerten Anarchismus bewahren.

Mit seinen Auftritten als Streckenkobra erlangte Schneider szeneintern Kultstatus.
Stevie Schneider

Erste Bekanntheit erlangte der Absolvent des Studiums des Wirtschaftsingenieurwesens durch seine Videoclips, in denen er als Streckenkobra die Wettkampffahrten anderer Biker kommentiert. Eine Rolle, in die er durch Zufall geriet. "Ich war 2015 beim Bikepark Opening in Schladming. Am Abend vor dem Eröffnungstag stolperte ich durch eine Glastür", erklärt er die Ausgangslage. Wegen der Schnittverletzungen konnte Schneider nicht selbst mitfahren, also schnappte er sich eine Kamera, um die Fahrten der Kollegen am Berg einzufangen und auf einzigartige Weise zu kommentieren. "Restalkohol in Kombination mit Schmerzmitteln sorgten dafür", so Schneider.

"Lache nicht über sie, sondern mit ihnen"

Als Streckenkobra konzentriert er sich mit Vorliebe auf die Fehler der Fahrer. Weil er herkömmliche Rennvideos langweilig findet. "Aber ich lache niemals über jemanden, sondern nur mit ihnen." Schneider kennt so gut wie alle Fahrerinnen und Fahrer in der heimischen Downhillszene persönlich, weshalb ihm niemand sein loses Mundwerk übelnimmt. Im Gegenteil: Die Streckenkobra erlangte in kürzester Zeit Kultstatus. Mittlerweile moderierte Schneider bereits einige Pumptrack-Rennen und die Shaper Games.

Hier der erste offizielle Auftritt der Streckenkobra in Schladming.
Stevie Schneider

Die Liebe zum Mountainbiken hat ihm sein Vater vererbt. Mit ihm absolvierte er in Jugendjahren erste Touren. "Das war schön, aber nicht lustig." Der Moment, der alles veränderte, war jener, als er erstmals mit seinem Mountainbike sprang. "Über einen Kanaldeckel. Ich war vielleicht zehn Zentimeter in der Luft." Aber es reichte aus, um das Verlangen nach mehr zu wecken. Als ihn 2006 Freunde zu einem Slopestyle-Bewerb nach Saalbach mitnahmen und er dort sah, wie ein Biker einen Backflip mit dem Rad vollführte, wusste er: "Das will ich auch machen."

Also begann er, auf dem Berg hinterm Haus Strecken und Sprünge zu bauen. Kurz versuchte er sich sogar als Downhill-Rennfahrer. Doch Schneider bemerkte, dass er mit zunehmender Professionalisierung den Spaß am Sport verlor. Heute sagt er auf die Frage, was genau er als Mountainbiker mache: "Ich gehe einfach gern Radl fahren." Dass der Backflip quasi zu seinem Markenzeichen wurde, erklärt Schneider so: "Man könnte sagen, es ist mein Signature-Move. Oder man könnte sagen, ich kann keinen anderen Trick."

Plötzliche Vorbildfunktion

Sich selbst nicht zu ernst zu nehmen ist Schneiders Credo. Wobei er nichts vom Image des hirnlosen Wilden hält, das Mountainbikern oft vorauseilt. Dass er und sein Umfeld, zu dem das Who's who von Österreichs Mountainbikeszene wie Fabio Wibmer, David Trummer und Andreas Kolb zählt, mittlerweile eine gewisse Vorbildfunktion für Kinder und Jugendliche haben, wurde ihm vor zwei Jahren erstmals klar. Seither achtet er etwa darauf, nach einem Tag im Bikepark nicht mit einem Bier auf dem Parkplatz herumzulungern.

Diese Erkenntnis sei "fast ein bisserl ein Schock" für ihn gewesen. Einerseits begrüßt Schneider die stetig wachsende Bedeutung des Mountainbikens in Österreich, weil dadurch auch mehr Möglichkeiten entstehen, den Sport auszuüben. Gerade die fehlenden legalen Trails seien nämlich ein großes Problem: "Das ist auch auf meinem Hausberg bei Salzburg eine Katastrophe. Der Gesetzgeber müsste dringend etwas in der Haftungsfrage unternehmen."

Andererseits fürchtet er angesichts wachsender Beliebtheit um die familiäre Stimmung innerhalb der immer noch kleinen, aber feinen Szene hierzulande. Als Beispiel für diesen noch vorherrschenden Geist nennt er das Grazer "Lines"-Magazin, das junge Fahrer und Formate in Österreich fördert: "Denen haben wir viel zu verdanken."

In Social-Media-Kanälen wie Facebook macht Schneider neuerdings mit nicht ganz ernst gemeinten Tutorials von sich reden.

Zwar hält er den Gedanken, vom Biken leben zu können, für reizvoll, schließt das für sich selbst jedoch aus. Derzeit arbeitet Schneider noch in seinem Studentenjob bei einem Fischfachhandel in Salzburg. In Kürze will er sich aber "im Kommunikationsbereich" selbstständig machen. Dank Sachsponsoren leistet sich der passionierte Biker, der in Social-Media-Kanälen wie Facebook und Instagram umtriebig ist, den Luxus, seinem Hobby "gratis" zu frönen. Für 2018 sucht er daher noch nach einem Bikesponsor, wie er sagt: "Dann wäre alles perfekt."

Auch für die kommende Saison hat er spektakuläre Einlagen wie jene in Innsbruck geplant. Allerdings kann er noch nicht sagen, wann und wo: "Ich weiß nicht, wie fit ich mich im Sommer fühle." Prinzipiell würde ihn ein Event wie die Fest Series mit riesigen Sprüngen reizen. Allerdings: "Ich zweifle, ob das gesund für mich wäre." Die Dimension traut er sich zwar zu, nur fehlen ihm die Erfahrungswerte. "Wir haben in Österreich einige Fahrer, die so was springen könnten, aber keinen Platz, um das zu trainieren."

Insofern hofft er, dass der Mountainbikesport und die Möglichkeiten, ihn auszuüben, hierzulande weiter wachsen. Schneider will das Seine dazu beitragen – sei es als scharfzüngige Streckenkobra, als Protagonist unkonventioneller Videotutorials oder kopfüber als waghalsiger Mountainbiker. (Steffen Arora, 9.1.2018)