Neuer polnischer Regierungschef Mateusz Morawiecki (links) zu Besuch in Ungarn.

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Roter Teppich, martialische Musik, ein befreundeter Premierminister aus Osteuropa, ein gemeinsamer Feind, deutliche Worte: Das sind Zutaten zu einer Stimmung, in der sich Ungarns Regierungschef Viktor Orbán besonders wohl fühlt. Kein Wunder, dass er den Besuch seines neuen polnischen Kollegen Mateusz Morawiecki in Budapest nutzte, um der Europäischen Union zu drohen. Er selbst, Polen, alle Mitgliedstaaten der Visegrád-Gruppe wollten mehr Einfluss in der Union.

Deren Migrationspolitik sei "spektakulär gescheitert", wurde Orbán zitiert. Für 2018 erwartet er "ein Jahr großer Konfrontationen". Denn die meisten EU-Staaten ("das Imperium") wollten Ungarn, Polen, Tschechien und der Slowakei (den V4) die Umverteilung von Flüchtlingen "aufzwingen". So kennt man ihn seit 2010, als er – kaum im Amt – die Union durch Brechen von EU-Regeln herausgefordert hatte. Nach Klagen der EU-Kommission und Urteilen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) "reparierte" er die Gesetze wieder.

Polen isoliert

Bei EU-Gipfeln wurde er zuletzt nur von Morawiecki-Vorgängerin Beata Szydło unterstützt, die ihr Land selbst in die Isolation führte: Wegen des Verdachts auf Bruch des EU-Rechtsstaatlichkeitsprinzips leitete die Kommission die erste Stufe des Verfahrens auf Stimmrechtsentzug im EU-Rat ein. Dennoch hält sich die Vermutung, die Visegrád-Staaten könnten die weitere EU-Integration stoppen. Wahrscheinlich ist das nicht.

Erstens: Mit dem EU-Austritt Großbritanniens 2019 verlieren die Euroskeptiker um Orbán ihren mächtigsten Verbündeten.

Zweitens: Die Visegrád-Staaten, allesamt Nettoempfänger von EU-Geldern, sind in sich überhaupt nicht einig. Zwar lehnen alle Quoten zur Flüchtlingsverteilung ab, aber der slowakische Premier Robert Fico hat in Brüssel deponiert, der Slowakei sei die Euromitgliedschaft wichtiger als Visegrád.

Drittens: Gegen die Spekulation, dass sich Österreich mit der neuen ÖVP-FPÖ-Regierung nun Orbán und Co anschließt, spricht die Realpolitik. Bundeskanzler Sebastian Kurz legte kurz nach seiner Angelobung bei drei EU-Präsidenten ein ungeteiltes Bekenntnis zur Union ab. In zehn Tagen reist er nach Paris und Berlin zu Präsident Emmanuel Macron und Kanzlerin Angela Merkel und will deren gemeinsame proeuropäische Reforminitiative demonstrativ unterstützen. Visegrád spielt dabei nur eine Nebenrolle als Gespenst. Trotz Drohungen ist der Einfluss von Polen und Ungarn auf Partner in Europa sehr gering. (Thomas Mayer, 4.1.2018)