ORF-Sitzungsaal mit Publikumsräten.

Foto: APA/Hans Punz

Wien – Das wichtigste Entscheidungsgremium im ORF ist nach der Regierungsbildung auf dem Weg zu einer großen Mehrheit von ÖVP und FPÖ. Am 17. Mai soll sich der neue Stiftungsrat des ORF laut aktuellem Zeitplan konstituieren, dann voraussichtlich zumindest in der Nähe einer türkis-blauen Mehrheit. Die erste Etappe dorthin steht noch im Jänner an.

Personal, Geld, Programm: das Schlüssel-Gremium

Der Stiftungsrat des ORF hat 35 Mitglieder, er entscheidet mit einfacher Mehrheit über ...

  • ... den Alleingeschäftsführer (derzeit Generaldirektor: Alexander Wrabetz), vier Zentraldirektoren (Programm: Kathrin Zechner, Radio: Monika Eigensperger, Finanzen: Andreas Nadler, Technik: Michael Götzhaber) und neun Landesdirektoren. Mit Zweidrittelmehrheit kann er den ORF-General abberufen.
  • ... Budget und Gebarung des ORF
  • ... Programmschema für TV, Radio, Online
  • ... alle großen unternehmerischen Projekte (etwa das 300 Millionen Euro schwere Sanierungs- und Bauprojekt ORF-Zentrale auf dem Küniglberg)
  • ... neue Tochterfirmen und deren Besetzung, Beteiligungen, Verkäufe, etwa auch von Grundstücken.

Die Besetzung

Neun Stiftungsräte entsendet die Bundesregierung, sechs schicken die Parteien mit Klubstärke im Nationalrat, neun die Bundesländer, sechs der Publikumsrat des ORF und fünf der ORF-Zentralbetriebsrat.

Aktive Politiker dürfen nicht in die ORF-Gremien – und auch keine Expolitiker bis vier Jahre nach Ende ihrer Funktion.

Wenn sich eines der entsendenden Organe ändert, kann es auch seine Vertreter im Stiftungsrat tauschen. Alle fünf Jahre sind Stiftungsrat und Publikumsrat neu zu besetzen. Aber das ist schon die nächste Etappe zu den neuen ORF-Gremien 2018.

1. Etappe: Regierung und Parteien

Für Mitte Jänner hat sich die neue Regierung von ÖVP und FPÖ vorgenommen, ihre neun Stiftungsräte zu entsenden, wohl wie üblich zusammen mit den sechs Stiftungsräten der Parteien.

Die Liste Pilz hat angekündigt, sie nominiert ihren neuen Stiftungsrat Mitte Jänner. Peter Pilz kann das jedenfalls nicht sein: Abgeordnete zum Nationalrat dürfen vier Jahre nach Ablauf ihres Mandats nicht in die ORF-Gremien. Die Liste Pilz sucht einen ihr nicht nahe stehenden, mit Rundfunkpolitik und Medienökonomie vertrauten Menschen. Die Besetzung ist Thema bei ihrer Klausur kommende Woche.

Vier der neun Regierungsstiftungsräte werden wohl rasch eingewechselt: Andrea Brem, Heinz Lederer, Andrea Schellner und Martina Vitek-Neumayer sitzen derzeit auf roten Regierungstickets im Stiftungsrat. Das dürften zusätzliche vier Mandate für die FPÖ werden.

Die ÖVP bekommt zu bisher einem Partei-Stiftungsrat einen zweiten – als stärkste Partei im Nationalrat bei insgesamt nur fünf Klubs.

Einhören für neue Räte: Klausur im März

Die neuen Stiftungsräte können sich bei einer Klausur am 14. März einhören in die Materien, die sie wohl noch eine Weile beschäftigen werden: Das 303-Millionen-Euro-Bauprojekt Küniglberg dürfte im Mittelpunkt der Klausur stehen. Im März will ORF-General Alexander Wrabetz ja seinen Plan B – ohne großen Programmneubau, aber mit Ö1 auf dem Küniglberg – zur Abstimmung vorlegen. Thema zudem: die Digitalisierungsstrategie des ORF.

2. Etappe: Kanzler besetzt Publikumsrat

Nur noch einmal tagt der Publikumsrat des ORF in alter Besetzung – laut aktuellem Terminplan am 1. März 2018. Bisher mit großer sozialdemokratischer Mehrheit.

Das Gremium mit überschaubaren Entscheidungskompetenzen hat 31 Mitglieder. Neues FPÖ-Mitglied ist Barbara Nepp*, Wiener Unternehmerin und die Ehefrau des Wiener FP-Vizebürgermeisters Dominik Nepp und Mitglied im Kollegium des Wiener Stadtschulrats. Vorgängerin Susanne Fürst kam in den Nationalrat und ist daher nicht mehr Publikumsrätin. Mit fünf Fraktionen im Nationalrat werden es auf Sicht 30 Mitglieder.

17 Publikumsräte sucht der Bundeskanzler aus Vorschlägen von Verbänden und Vereinigungen aus, die gesellschaftliche Gruppen repräsentieren – von Bildung bis Umweltschutz, von älteren Menschen bis Kraftfahrer. Acht Mitglieder entsenden Gewerkschaft, Kammern und Kirchen sowie Akademie der Wissenschaften direkt. Und jede Parlamentspartei mit Bildungseinrichtung schickt einen Vertreter ihrer Akademie.

Wesentlichste Kompetenz des Publikumsrats: sechs Mitglieder in den Stiftungsrat entsenden. Kolportiertes künftiges Verhältnis zwischen ÖVP und FPÖ: drei zu drei.

Das Bundeskanzleramt schreibt die Mandate aus und bestimmt die Mehrheit davon gleich selbst. Der Publikumsrat soll sich nach aktuellem Terminplan der ORF-Gremien am 3. Mai neu konstituieren (und auch gleich seine Stiftungsräte bestimmen).

3. Etappe: Neuer Stiftungsrat nach altem Modus

Der Stiftungsrat mit neuer Besetzung auf Regierungs- und Parteimandaten tritt am 22. März zusammen.

Wenn die SPÖ nicht mehr Dietmar Hoscher auf ihrem Parteimandat entsenden sollte, böte das eine Gelegenheit, gleich mit türkis-blauer Mehrheit einen neuen Vorsitzenden zu bestellen. Kolportierte Kandidaten: Norbert Steger (FPÖ) oder auch Franz Medwenitsch (ÖVP), bisher Stellvertreter, oder Thomas Zach (ÖVP-Freundeskreissprecher). Herbert Fechter (ÖVP) soll schon abgewunken haben.

Spätestens mit der Neukonstituierung des Stiftungsrats, vorgesehen für 17. Mai, wird der Vorsitzende ohnehin zu einer der Regierungsparteien wechseln. Mit den nun türkis-blauen Vertretern des Publikumsrats dürften die Regierungsparteien dann – je nach Zuordnung – auf 23 bis 24 türkis-blaue oder zumindest bürgerliche Räte kommen.

4. Etappe: Medienenquete und neues ORF-Gesetz

Ebenfalls im Mai soll die Regierung ihre mehrtägige Enquete über den Medienstandort Österreich und den ORF im Besonderen planen. Sie soll, sagt die Regierung, auch die Grundlagen für ein neues ORF-Gesetz liefern. Absehbare Maßnahme: Statt eines Alleingeschäftsführeres soll ein Vorstand den ORF leiten – damit muss die Führung neu bestellt werden. Wie immer das künftige ORF-Gremium dafür aussieht, heißt und besetzt wird. (fid, 4.1.2018)