VfGH-Vizepräsidentin Brigitte Bierlein und der in Pension gegangene VfGH-Präsident Gerhart Holzinger.

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Wien – Der Verfassungsgerichtshof hat seit Montag seine erste Präsidentin – zumindest zunächst einmal aber nur eine interimistische. Vizepräsidentin Brigitte Bierlein vertritt den mit Jahresende in die Pension gewechselten Präsidenten Gerhart Holzinger. Wer ihm nachfolgt, steht noch nicht fest, sein und weitere zwei freiwerdende Posten sollen erst kommende Woche ausgeschrieben werden.

Damit dürfte zumindest der neue VfGH-Präsident noch vor der nächsten Session des Gerichtshofes (von 22. Februar bis 17. März) vom Bundespräsidenten ernannt werden. Denn die vierwöchige Bewerbungsfrist endet Anfang Februar und bald danach kann die Bundesregierung ihren Vorschlag dem Bundespräsidenten vorlegen.

Vorschlagsrecht des Parlaments

Länger dürfte es im Fall der beiden Verfassungsrichter Eleonore Berchtold-Ostermann und Rudolf Müller dauern, die ebenso wie Holzinger nach dem Erreichen der Altersgrenze von 70 Jahren mit 31. Dezember ausgeschieden sind. Denn in diesen Fällen haben der Nationalrat und der Bundesrat das Vorschlagsrecht – und beide führen Hearings mit den Bewerbern durch.

Der VfGH wird jedenfalls weiterhin reibungslos funktionieren und beschlussfähig sein. Für die beiden Verfassungsrichter springen in der Session Ersatzmitglieder ein. Sollte noch kein neuer Präsident ernannt sein, wird Vizepräsidentin Bierlein den Vorsitz in den Beratungen und Verhandlungen führen.

Höchststand an Beschwerden

Bierlein setzt allerdings auf eine rasche Regelung der Nachfolge: "Ich hoffe, dass die freigewordenen Stellen bis zum Beginn der nächsten Session besetzt sein werden", sagte sie in einer Aussendung. Denn der VfGH sei aktuell mit einem Höchststand an Beschwerden konfrontiert. Dies liege einerseits an der behördlichen Aufarbeitung der großen Migrationsbewegung 2015/16 und andererseits an einer sehr hohen Anzahl von Fällen aus dem Bereich des Glücksspielrechts.

Die Vizepräsidentin geht davon aus, dass – wie bisher – bestmöglich qualifizierte Juristinnen und Juristen für die vakanten Posten ausgewählt werden.

Wobei Bierlein selbst zur Präsidentin ernannt werden könnte. Dies war eine der zuletzt genannten Varianten – nachdem ÖVP und FPÖ bei der Präsentation ihrer Koalitionseinigung kundtaten, die VfGH-Besetzungen noch nicht vereinbart zu haben. Die FPÖ hatte schon im Sommer das Nominierungsrecht für zwei VfGH-Posten verlangt.

Altersgrenze wäre in zwei Jahren erreicht

Mit Bierleins Ernennung zur Präsidentin wäre die Entscheidung über die Spitzenposition de facto um zwei Jahre aufgeschoben. Die 2003 unter Schwarz-Blau bestellte Vizepräsidentin erreicht 2019 die Altersgrenze von 70 Jahren. Als Favorit für das Präsidentenamt gilt der Verfassungsrichter Christoph Grabenwarter. Als mögliche Verfassungsrichter auf blauem Ticket werden der Linzer Verwaltungsrechtsexperte Andreas Hauer genannt sowie zwei Rechtsanwälte, Rüdiger Schender und Michael Rohregger. Sie haben (gemeinsam mit Dieter Böhmdorfer) erfolgreich für die FPÖ die Anfechtung der Bundespräsidentenwahl beim VfGH vertreten. (APA, 1.1.2018)