Worte schaffen Realitäten, mit Begriffen kann man Menschen manipulieren – wenn man diese Begriffe falsch oder halb richtig verwendet und die Umdeutung als Selbstverständlichkeit verkauft. Bei Durchsicht der Asylpläne im Regierungsprogramm der neuen österreichischen Bundesregierung zeigt sich: Genau ein solches Framing findet hier statt.

Tatsächlich gehen ÖVP und FPÖ das heikle Thema mit verschobenen und überzogenen Begrifflichkeiten an: Die aus der österreichischen Verfassung abzuleitende Verpflichtung, Verfolgten Schutz zu gewähren, wird in einem bisher auf Regierungsebene unbekannten Ausmaß mit "illegaler Migration" in Verbindung gebracht. So sehr, dass es vielfach einer Gleichsetzung nahekommt, mit nur wenigen Ausnahmen. Derlei kannte man bisher nur aus dem Parteiprogramm der FPÖ allein.

"Asyl als Schutz auf Zeit und Stopp der illegalen Migration" lautet etwa die Überschrift der Kurzzusammenfassung im betreffenden Regierungsprogrammkapitel. "Für illegale Migration, die meist unter Missbrauch des Asylrechts stattfindet, ist kein Platz", heißt es darunter. Nun setzt das Stellen eines Asylantrags in Österreich zwar in den meisten Fällen einen regelwidrigen Grenzübertritt voraus, aber sobald ein Asylantrag eingebracht wurde, besteht ein legaler Aufenthaltstitel. Wird der Asylantrag zugelassen, gilt dieser bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens.

Danach wiederum steht fest, ob der Aufenthalt eines Ausländers in Österreich rechtmäßig fortgesetzt werden kann, als anerkannter Flüchtling, subsidiär Schutzberechtigter oder im Rahmen eines humanitären Titels. 2017 war dies laut Innenministeriumsstatistik bis Ende November in mindestens zwei Dritteln der Entscheidungen der Fall.

Von illegaler Massenmigration unter missbräuchlicher Nutzung des Asylrechts künden diese Zahlen keineswegs. Die Ansagen im türkis-blauen Regierungsprogramm verbreiten dennoch anderslautende Nachrichten. Welche Folgen kann dieses Herausstreichen angeblicher "Illegalität" haben? Es wird die Botschaft transportiert, Flüchtlinge, wie wir sie kennen – afghanische Jugendliche, arabische Familien in den Straßen und Öffis der Städte oder in den ländlichen Asylgasthöfen – nutzten das österreichische Asylsystem großteils widerrechtlich aus.

Auf diese Art wird das starke Misstrauen der flüchtlingsablehnenden Mehrheit im Land weiter geschürt – was es Blau und Schwarz erleichtern dürfte, die geplanten harten Maßnahmen gegen Asylwerber widerstandslos durchzuziehen: Kappen jedweder Geldleistung in der Grundversorgung, Umsiedlung aus alltagstauglichen Privatwohnungen in polizeilich überwachte Bundesgroßquartiere, Ausschluss von Asylwerberkindern aus dem Regelschulwesen, bis sie genug Deutsch können, und vieles andere mehr. Die Eskalationsspirale dreht sich. Wohin das letztlich führen soll, wissen wohl nur die neuen Regierungsstrategen. (Irene Brickner, 29.12.2017)