In der Debatte über die "Ehe für alle" braucht es respektvolle Argumentation – nicht Bashing.

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Auf meinen Userkommentar im STANDARD zur "Ehe für alle" aus katholischen Blickwinkeln erhielt ich etliche, meist positive E-Mails. Ein schwules Paar aus einem benachbarten Bundesland etwa bedankte sich. Sie würden sich, so die beiden, in ihrem Dorf ständig ausgegrenzt und schlecht fühlen, weil sie als Paar zusammenleben. Die Reaktionen der katholischen Kirche zur "Ehe für alle" hätten sie verletzt. Umso mehr freuten sich beide über meine Argumentation, dass die Kirchen eine gleichgeschlechtliche Ehe akzeptieren und darüber hinaus auch die Sakramentalität einer solchen Beziehung anerkennen sollten. Ein anderes schwules Paar aus einer Landeshauptstadt schrieb mir, dass sie mit ihren Pflegekindern darauf hoffen, die Kirche werde eines Tages auch ihre Partnerschaft gleich wie eine Ehe anerkennen.

Gleiches soll gleich behandelt werden

Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs in Österreich geht vom Gleichheitsgrundsatz aus, mit dem das Diskriminierungsverbot verknüpft ist. Demnach müssten gleichgeschlechtliche Beziehungen nicht nur eine eingetragene Partnerschaft eingehen dürfen, sondern auch eine Ehe abschließen können. Der große Dissens zwischen den Vertretern der katholischen Kirchenleitung besteht nun in der Frage, ob Heteroehen wirklich gleich sind wie Homoehen. Erstere, so das Hauptargument katholischer Bischöfe, seien anders zu beurteilen, weil nur eine gemischtgeschlechtliche Ehe Zeugungsfähigkeit und damit Offenheit für Kinder beinhalte.

Über dieses Argument sollte ein Dialog stattfinden, ohne dass der einen oder der anderen Seite der gute Wille abgesprochen wird, und ohne dass beispielsweise Bischöfe gleich wieder ein homophobes Mäntelchen umgehängt bekommen, so als seien sie schwulen- oder lesbenfeindlich, weil sie sich gegen die "Ehe für alle" aussprechen. Mein Heimatbischof Hermann Glettler beabsichtigt sicherlich nicht, schwule oder lesbische Beziehungen in ein sündhaftes und homophobes Eck zu stellen. Im Gegenteil: Er bedauert ausdrücklich die jahrhundertealte Diskriminierung von Homosexuellen.

Wer Bischof Glettler kennt, weiß, wie sehr ihm Diversität und Andersseindürfen Anliegen sind, wie sehr er beispielsweise besonders zu Menschen Brücken schlägt, die oftmals weit weg von der Kirche sind. Es ist bedauerlich, wenn nun von einigen (wenigen!) Befürwortern der "Ehe für alle" undifferenziertes Kirchenbashing betrieben oder kirchlichen Vertretern geraten wird, sich in diesen Dingen besser nicht öffentlich zu äußeren. Auf der anderen Seite sind auch so manche Worte der Kritiker einer "Ehe für alle" nicht geeignet, um Wege zueinander zu finden. Wer von Gleichmacherei oder gar Gleichschaltung spricht, verwendet Begriffe, die verletzend sind, weil sie dem berechtigten Anliegen der Gleichbehandlung nicht gerecht werden. Es geht eben nicht um Gleichmacherei, sondern im Gegenteil darum, dass das Anderssein in der Frage sexueller Orientierungen gleich behandelt wird.

Schöpfungsordnung bejahen

In den bischöflichen Stellungnahmen wird gerne von der Schöpfungsordnung gesprochen und argumentiert, diese gebe eben vor, dass nur ein Mann und eine Frau miteinander Kinder zeugen können. Gerade das Argument von der Schöpfungsordnung könnte aber auch eine gleichgeschlechtliche Ehe begründen. Homosexualität, so die Erkenntnisse von Humanmedizin oder Psychologie, ist immer wesentlich biologisch bestimmt, was letztlich heißt, ein schwules oder lesbisches Paar findet auch aufgrund der eigenen Veranlagung zusammen, nicht jedoch, um miteinander Kinder zu zeugen, sondern um eine dauerhafte Partnerschaft mit Rechten und Pflichten einzugehen.

Unumstößliches Merkmal der Ehe?

Letztlich gibt es einen einzigen Punkt, der im Dialog geklärt werden müsste. Gehört die Fähigkeit, Kinder zu zeugen, tatsächlich zum unumstößlichen Merkmal einer Ehe? In mehrfacher Hinsicht ist eine postulierte Verknüpfung von Ehe mit Zeugungsfähigkeit in sich nicht aufrechtzuerhalten. So dürfen gemischtgeschlechtliche Ehen geschlossen werden, auch wenn aufgrund verschiedener Umstände eine Offenheit beziehungsweise Zeugungsfähigkeit nicht gegeben ist. Der primäre Ehezweck besteht stets in dem Eingehen einer dauerhaften Beziehung mit Rechten und Pflichten, zu denen wesentlich die Treue und das Füreinandersorgen gehören.

Göttlicher Qualitätsausweis

Die Diskussion über eine Ehe für gleichgeschlechtliche Paare findet in der Weihnachtszeit statt. Christen denken an die Menschwerdung. Die Theologie spricht von der Inkarnation. Sexualität gehört zum ganzen Menschsein. Verknüpft mit Achtsamkeit, Liebe, Verantwortungsbewusstsein, Treue und Verlässlichkeit, wird sie als göttliches Geschenk erfahren. Es geht immer um ein ganzes Menschseindürfen. Das gilt auch für Homosexuelle. Wir leben aber weiterhin in einer Gesellschaft, in der laut Studien jeder vierte LGBT-Jugendliche einmal Suizidgedanken hatte. Wir leben in einem Staat, in dem Vertreter und Vertreterinnen einer Regierungspartei wiederholt mit homophoben Äußerungen aufgefallen sind. Wir leben in einer Welt, in der in vielen Staaten Homosexuelle mit Kerker und Tod bedroht werden.

Da könnte und müsste die katholische Kirche gemeinsam mit anderen Kirchen und Religionsgemeinschaften klar signalisieren, dass sie gegen jegliche Diskriminierung von homosexuellen Menschen auftritt und deren Akzeptanz in Religionsgemeinschaften, Kirchen und Gesellschaft mit allem Nachdruck befürwortet. Leider ist dieser Wunsch in den vergangenen Wochen nicht in Erfüllung gegangen, und es ist ein Bild entstanden, als hätten sich katholische Kirche und LGBT-Organisationen weit voneinander entfernt. Es ist also höchste Zeit, wieder neue Brücken zu bauen. (Klaus Heidegger, 4.1.2018)