Es wirkte stets leicht, heiter und auch verführerisch, wenn Kay Walkowiak (geb. 1980 in Salzburg) minimalistische Formen und andere Vermächtnisse der Moderne im Alltag platzierte – hinaus aus den westlichen Musentempeln, den Orten des andachtsvollen Schauens, hinein in die Welt, wo Kultur und Philosophie eine gänzlich andere sind.

"Divine Monochromes", Installationsansicht in der Galerie Crone 2016
Fotos: Matthias Bildstein, © 2016

Einen minimalistischen Quader aus Beton platzierte er bei einer Hindu-Pilgerstätte, kurz darauf wird er in das religiöse Ritual integriert, mit Blumenkränzen und leuchtenden Farbpigmenten geschmückt (The Ritual, 2015). Yogis bat er um spirituelle Interpretationen minimalistischer Objekte (Making Sense Out of Abstraction, 2013), Äffchen ließ er mit den bunten Formen spielen (Stimuli, 2014). Und in "Divine Monochromes" (2016) war es ein wahrsagender Papagei, der nicht Schicksals-, sondern Farbkarten zog, die abstrakte Farbfeldkompositionen bildeten.

Unschuld verloren

Arbeiten, in denen die westlich dominierte Moderne das Absolute verlor. Wenn man so will, verliert in Walkowiaks jüngster Werkgruppe dieses Agieren mit Kunst seine Unschuld. Zum antastbaren Objekt wird die Kunst nun durch explizit sexuelle Handlungen und lustvolles Begehren.

Still aus Kay Walkowiaks Video "Wonderland" (2017)
Foto: Kay Walkowiak / Zeller van Almsick

Specific Objecthood heißt seine Ausstellung bei Zeller van Almsick. Ein Titel, der auf die Kritik Michael Frieds an der Minimal Art (sein Essay von 1967 hieß Art and Objecthood) verweist; Kunst solle nicht die Teilnahme der Betrachter einfordern, sondern kontemplative Versenkung ermöglichen. Walkowiak, klar auf der Seite der Minimalisten, intensiviert hingegen die Subjekt-Objekt-Beziehung, ja macht daraus ein sehr unmittelbares Verbunden-Sein-Wollen mit dem Kunstwerk.

Still aus Kay Walkowiaks Video "Wonderland" (2017)
Foto: Kay Walkowiak/Zeller van Almsick
Objekte aus der Serie "Specific Objecthood" (2017)
Fotos: Julius Unterberger, Montage: Feßler

Glänzend und haptisch ansprechend

Aus Messing, teilweise mit grobem Malerleinen bezogen, sind seine Objekte, einerseits edel und glänzend, anderseits die Haptik ansprechend. Die an geometrische Formen angelehnten Objekte erinnern teils an Sportgeräte – sehr unmittelbar der textile Boxsack -, teils sehr direkt an Sexspielzeuge wie Dildos und Butt-Plugs. Fetischobjekte, mit denen die Akteure im Video Wonderland (2017) tatsächlich libidinöse Beziehungen eingehen: kopulierend mit einem Quader mit Loch, sich auf einem Messing-Phallus niederlassend, vaginal und anal einführend. Lust- und/oder qualvoll, wie beim Sitzen auf einem sich nach oben keilförmig verjüngenden Bock – "Spanisches Pferd" nannte man das bis in die frühe Neuzeit beliebte Folterinstrument.

"Specific Objecthood (hook)" (2017)
Foto: Julius Unterberger

Mit Verweis auf Maurice Merleau-Ponty wird von der "Invasion des Sinnlichen in den Empfindenden", ja von der "Paarung" des Blicks mit dem Gesehenen gesprochen: ein recht drastischer Versuch, Philosophie und Kunsttheorie Leben einzuhauchen. Bedeutsam ist auch der Handlungsort: Josef Franks Villa Beer, die seinem Verständnis von Architektur als "Raum menschlichen Erlebens" geschuldet ist. Eine allzu stilisierte Ästhetik vollendet in der Musik: Bachs Agnus Dei als Kontrast zu schwülstig inszenierter Objektpuderei? Eine Schwere, die gewohnte Leichtigkeit vermissen lässt. (Anne Katrin Feßler, 30.12.2017)

Still aus Kay Walkowiaks Video "Wonderland" (2017)
Foto: Kay Walkowiak / Zeller van Almsick