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Zigmal werden Bullenreiter während ihrer Karriere von einem Stier abgeworfen. Helme sollen ein wenig Schutz bieten, doch gegen die Folgen des Schüttelns können sie nichts ausrichten.

Foto: REUTERS/Todd Korol

In der Rodeowelt Kanadas und der USA geht ein Gespenst um: die Angst vor Hirnschäden, die Cowboys zu Aggression, Depressionen und in den Suizid treiben können. Betroffen sind die Bullenreiter, die sich auf tobende Stiere setzen, bis sie abgeworfen werden. Durch die Stürze und das extreme Schütteln erleiden sie Gehirnerschütterungen. Diese werden oft nicht behandelt, oder sie werden von den Bullenreitern versteckt, weil sie nicht mit ihrem Sport aufhören wollen.

Seit dem Suizid des kanadischen Champions Ty Pozzobon in diesem Jahr können Eltern von angehenden Bullenreitern die Risiken, die ihre Söhne eingehen, nicht mehr ignorieren. Leanna Pozzobon fand ihren Sohn Ty leblos im Pick-up in der Nähe seines Hauses in Merritt. Das Gehirn des 25-jährigen Bullenreiters aus British Columbia war auf Rodeos so oft verletzt worden, dass sich seine Persönlichkeit verändert hatte.

Schlaf- und Appetitlosigkeit

Pozzobon war der beste Bullenreiter Kanadas. Das Jahr 2016 fiel besonders glänzend aus: Im Sommer siegte er auf mehr Rodeos als in den fünf Jahren zuvor. Bei der Weltmeisterschaft verdiente er umgerechnet 66.000 Euro.

Acht Sekunden muss sich ein Bullenreiter auf einem aufbäumenden Tier halten, nur mit einer Hand darf er sich an ein Seil klammern. Pozzobon war ein Meister darin, aber er bezahlte einen hohen Preis für die Gehirnverletzungen. Er konnte nicht mehr schlafen und verlor den Appetit. Er litt unter Gleichgewichts- und Gedächtnisstörungen. Zorn, Angst und Hoffnungslosigkeit überwältigten ihn.

13-mal bewusstlos

Ende des Jahres schockierten die Obduktionsergebnisse die Öffentlichkeit: Pozzobon litt an CTE, einer chronischen Erkrankung des Nervensystems. Dieses Phänomen kannte man bislang von Boxern sowie Eishockey- und Footballspielern, deren Köpfe ständig harte Schläge erhalten.

Während seiner Karriere wurde Pozzobon mindestens 13-mal bewusstlos. Beim schlimmsten Vorfall vor zwei Jahren lag er bereits ohne Bewusstsein auf dem Boden, als der Bulle auf seinen Helm trat und ihn zersplitterte. Dann trafen die Hufe des über 700 Kilogramm schweren Stieres die Rückseite seines Schädels. Vier Monate danach nahm Pozzobon wieder an Rodeos teil, obwohl ihm ein Arzt davon abgeraten hatte.

Professionelle Bullenreiter erzielen ihr Einkommen mit Rodeos. "Sie werden für die Teilnahme bezahlt", sagt Brandon Thome, ein Therapeut für Athleten. Außerdem gehe es ums Image eines harten Mannes. "In der Art des Cowboys macht man trotz Verletzungen weiter", erklärt Thome.

Fehlende Vorschriften

In Kanada, wo es keine zentrale Rodeo-Organisation gibt, ist es nicht Vorschrift, dass ein Arzt jedem Wettkampf beiwohnen muss. Und es gibt kein Rechtsmittel, einen gehirnverletzten Reiter am Weitermachen zu hindern. Der US-Chirurg Tandy Freeman erzählt, dass es Bullenreiter gebe, die Symptome nach Gehirnerschütterungen wider besseres Wissen leugneten. Tests sollen sie überführen, obwohl sich laut Freeman eine Gehirnerschütterung nicht hundertprozentig diagnostizieren lasse.

Immer noch kann man CTE erst an einem Toten feststellen. Seit einiger Zeit müssen in Kanada Bullenreiter unter 18 Jahren einen Helm tragen. Der Helm verhindert aber keine Gehirnverletzungen durch das Schütteln auf einem wild ausschlagenden Stier. Der Suizid Pozzobons habe die Bullenreiter erschreckt, sagt Thome: "Es macht die Entscheidung leichter, nach einer Gehirnerschütterung auszusetzen." (Bernadette Calonego aus Vancouver, 1.1.2018)