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Der Neandertaler ist genetisch im Homo sapiens aufgegangen. Warum er als eigene Spezies nicht überlebt hat, ist unklar. Vielleicht hat die stete menschliche Einwanderung aus Afrika eine Rolle gespielt, spekulieren nun US-Wissenschafter.

Foto: REUTERS/Nikola Solic

Stanford – Was hat die Neandertaler letztlich umgebracht? Auf diese Frage gibt es mittlerweile zahlreiche möglich Antworten, wirklich beweisbare Gründe für sein Aussterben konnten aber noch immer nicht vorgelegt werden. Eine zuletzt erschienene Studie kam schließlich zu dem Schluss: Egal, was den nächsten Verwandten des Homo sapiens letztlich tatsächlich zum Verhängnis wurde, sie wären in jedem Fall dem Untergang geweiht gewesen.

Unsere evolutionären Cousins traten etwa vor 130.000 Jahren erstmals in Erscheinung und breiteten sich rasch über Europa und Asien aus. Vor etwa 30.000 Jahren – und damit nicht lange nachdem der moderne Mensch aus Afrika in Europa aufgetaucht war – starb Homo neanderthalensis allerdings wieder aus. Die Suche nach Erklärungen für sein Verschwinden brachte zahlreiche Theorien hervor, darunter Klimawandel, Krankheiten und geringere Fähigkeiten im Vergleich zu Homo sapiens.

Auswanderer aus Afrika

Ein Team um Oren Kolodny von der Stanford University argumentiert jedoch, dass es keine dieser Ursachen für das Aussterben des Neandertalers gebrauchte hätte, wiewohl sie durchaus eine Rolle gespielt haben könnten. Gemeinsam mit seinem Kollegen Marcus Feldman kam Kolodny im Fachjournal "Nature Communications" anhand von Computersimulationen zu dem Schluss, dass Homo sapiens gegenüber dem Neandertaler einen entscheidenden Vorteil hatte: Er konnte stets auf Populations-"Nachschub" aus Afrika zählen.

In ihren Modellen gingen die Wissenschaften davon aus, dass keine der beiden Arten einen signifikanten Überlebensvorteil gegenüber der jeweils anderen besaß. Beide Menschenspezies lebten damals in Europa und Asien in kleinen Gruppen, von denen auf beiden Seiten immer wieder lokale Populationen zugrunde gingen und durch andere ersetzt wurden. Die Forscher berücksichtigten in einem solchen langfristigen Szenario, dass immer wieder Menschen aus Afrika nachrückten, während der Neandertaler über kein solches Populationsreservoir verfügte.

Verschobenes Gleichgewicht

Damit besaß Homo sapiens einen kleinen, wenn auch ausschlaggebenden Vorteil, der das Gleichgewicht langfristig zu seinen Gunsten verschob: In allen Simulationen mit unterschiedlichen Startbedingungen zogen die Neandertaler den Kürzeren. "Wäre das Überleben eine Art Glücksspiel, dann wurde es stets von der fortdauernden Homo-sapiens-Einwanderung manipuliert", meint Kolodny. Damit habe der Neandertaler zumindest rein statistisch von Beginn an als Verlierer festgestanden.

Dass es diese Migrationsbewegung tatsächlich gegeben hat, sei laut Kolodny freilich nicht bewiesen. Archäologische Belege dafür wären auch schwer zu erbringen. Andere Wissenschafter halten die Studie allerdings durchaus für plausibel. Die These könnte zudem erklären, warum praktisch keine Belege für Verhaltensunterschiede zwischen Homo sapiens und Homo neanderthalensis entdeckt werden konnten, die bisher als eine der Hauptgründe für das Aussterben der Neandertaler angesehen wurden. (tberg, 31.12.2017)