Präsident Thaci soll unter den Angeklagten sein

Foto: APA/AFP/ARMEND NIMANI

Prishtina/Den Haag – Rund 60 ehemalige albanische Kosovo-Rebellen sollen von einem neuen internationalen Gericht in Den Haag wegen Ende der 90er-Jahre begangener Kriegsverbrechen angeklagt werden. Das berichtete das renommierte Nachrichtenportal "Insajderi" am Montag in Prishtina unter Berufung auf das in Den Haag neu eingerichtete Kosovo-Spezialgericht.

Unter den möglichen Angeklagten befinden sich demnach auch Staatspräsident Hashim Thaci sowie Parlamentspräsident Kadri Veseli. Ihnen wie anderen heutigen Spitzenpolitikern werde vorgeworfen, im Bürgerkrieg Kriegsverbrechen gegen Serben begangen zu haben. Solche Anklagen würden das ohnehin zerbrechliche politische Gefüge im Kosovo bis ins Mark erschüttern.

Neues Spezialgericht

In einer ersten Anklagewelle sollen nach diesem Bericht im Februar der frühere Kommandant der Rebellenarmee UCK, Azem Syla, sowie der Bruder des Kosovo-Regierungschefs Ramush Haradinaj, Daut, angeklagt werden. Mit ihnen müssten auch die führenden Rebellenführer Shukri Buja und Sokol Dobruna nach Den Haag ausgeliefert werden, um sich dort wegen Kriegsverbrechen zu verantworten.

Das neue Spezialgericht ist zwar Teil des Kosovo-Justizsystems, wird allerdings von internationalen Richtern und Anklägern gebildet, die ihren Sitz in den Niederlanden haben. Damit sollen ihre Unabhängigkeit sowie die Sicherheit von Zeugen gewährleistet werden.

Warnungen der USA und Großbritanniens

Ende vergangener Woche hatten 43 von 120 Parlamentsabgeordneten in Pristina versucht, die vor Jahren von der Volksvertretung erteilte Zustimmung zu diesem Spezialgericht wieder rückgängig zu machen. Die Initiative scheiterte jedoch aus formalen Gründen. Vor allem die USA und Großbritannien hatten vor einer internationalen Isolation des Kosovo gewarnt, sollte das Parlament das Spezialgericht doch noch zu Fall bringen.

Ende der 90er-Jahre zwangen Nato-Bomben serbische Verbände, sich aus dem fast nur noch von Albanern bewohnten Kosovo zurückzuziehen. Zuvor hatten sie bis zu 800.000 Albaner vertrieben und selbst zahlreiche Kriegsverbrechen begangen. Der Kosovo ist seit 2008 der jüngste europäische Staat und von über 110 Ländern völkerrechtlich anerkannt. Serbien will sich damit aber nicht abfinden und seine frühere Provinz wieder zurückhaben. Die EU bemüht sich seit vielen Jahren weitgehend erfolglos, zwischen dem Kosovo und Serbien zu vermitteln. (APA, 25.12.2017)