Weidewirtschaft ist nicht nur wegen des tierischen Methanausstoßes für das Klima ein Problem. Die Bewirtschaftung der Wiesen und Wälder trägt bis zu 47 Prozent zum Verlust von Kohlenstoff-Speicher bei.

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Wien/Klagenfurt – Die fortdauernde Vernichtung von Wäldern und Grünland wirkt sich verheerend auf die globale Treibhausgasbilanz aus, soviel weiß man schon länger. Nun aber zeigt sich in einer aktuellen Studie, dass auch die Forst- und Weidewirtschaft in dieser Hinsicht einen negativen Einfluss ausübt. Forscher aus Wien konnten nachweisen, dass die menschlichen Aktivitäten die Kohlendioxid-Menge, die weltweit von der Vegetation gebunden wird halbierten.

In einer hypothetischen Welt ohne menschliche Landnutzung würden die Pflanzen weltweit 916 Milliarden Tonnen Kohlenstoff speichern, erklärte Studienleiter Karlheinz Erb vom in Wien ansässigen Institut für soziale Ökologie der Universität Klagenfurt. Die Forscher haben anhand aktueller Daten errechnet, dass derzeit nicht einmal halb so viel Kohlenstoff in der Vegetation steckt, nämlich 450 Milliarden Tonnen.

Von diesem fehlenden Kohlenstoff-Speicher geht gut die Hälfte (53 bis 58 Prozent) zulasten der Abholzung der Wälder und anderen Veränderungen der Landbedeckung, wie der Bodenversiegelung für Siedlungen und Straßen. "Hier gab es zwar bisher große Unsicherheiten, aber immerhin einen Konsens, in welcher Größenordnung sich dieser Effekt bewegt", sagte Erb.

Drastisch unterschätzter Effekt

Neu sei hingegen, dass die Bewirtschaftung der Wiesen und Wälder fast genau so viel CO2-Emissionen verursacht, sie trägt nämlich 42 bis 47 Prozent zum Verlust von Kohlenstoff-Speicher bei. Zwei Drittel davon sind auf die Waldwirtschaft, ein Drittel auf die Beweidung zurückzuführen, wie die Wissenschafter im Fachjournal "Nature" schreiben. Dieser Effekt wurde bis dato drastisch unterschätzt und daher in globalen Studien und Modellen kaum berücksichtigt, so der Ökologe: "Man ignorierte dies immer als 'das wird so viel nicht ausmachen'". Nun wisse man, dass die Bewirtschaftung genau so bedeutend für die CO2-Bilanz ist wie die Abholzung.

Der Effekt der Wald- und Weidewirtschaft sei so groß, weil er riesige Flächen betrifft. Er sei auch älter als bisher angenommen, denn ein bedeutsamer Teil der Bestandsreduktion der Kohlenstoffspeicher durch die Bewirtschaftung vormals natürlicher Wiesen und Wälder hat schon vor der Industrialisierung stattgefunden.

Biomassenutzung ist nicht klimaneutral

Strategien zur Abschwächung der Erderwärmung mithilfe von Biomasse, wie sie im Pariser Klimaabkommen festgeschrieben sind, würden durch diesen Effekt "entscheidende Zielkonflikte" in sich bergen, meinen die Forscher. Einerseits sei es positiv, mit Biomasse fossile Energieträger zu ersetzen, andererseits verursachten die dafür bewirtschafteten Flächen selbst beträchtliche Treibhausgasemissionen, denn sie erreichen nie ihren größtmöglichen Biomassebestand. "Es ist laut unseren Ergebnissen also nicht legitim anzunehmen, dass Biomassenutzung in jedem Fall klimaneutral ist", sagte Erb.

Dieses Dilemma sei nicht allzuleicht aufzulösen, meint er, denn man kommt um die Tatsache nicht herum, dass der Wald umso weniger CO2 speichert, je mehr Holz man daraus entnimmt. Freilich gäbe es Management-Formen, wo der Unterschied zwischen natürlichem und genutztem Wald geringer ausfällt, und man könne diese vermehrt anwenden. "In manchen Regionen steigen die Kohlenstoffbestände auch sehr stark an, wenn man die dort natürlich auftretenden Feuer verhindert", sagte Erb. Es sei aber noch nicht gesichert, dass dieser Effekt langfristig wirkt. (APA, red, 21.12.2017)