Die Amsel ist eine der am weitesten verbreiteten Vogelarten Europas. Die Männchen sind schwarz gefiedert, haben einen gelben Schnabel – die Weibchen sind dunkelbraun.

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Wien – Anfang der 2000er-Jahre wurde ein bis dahin in Europa unbekanntes Virus in Österreich nachgewiesen: Das Usutu-Virus befiel in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland diverse Vogelarten, vor allem aber Amseln, und sorgte als Verursacher des "Amselsterbens" für Schlagzeilen. Ab 2005 jedoch schien es damit vorbei: Die überlebenden Vögel hatten ausreichend Antikörper entwickelt, um einer weiteren Infektion Widerstand zu leisten. Seit kurzem werden jedoch wieder vermehrt tote Amseln gefunden, die mit dem Usutu-Virus infiziert sind. Damit nicht genug: Wie eine Forschungsgruppe an der Veterinärmedizinischen Universität Wien gezeigt hat, ist das Virus nicht nur bei den Vögeln zurück – es tritt auch beim Menschen auf.

Das aus Afrika stammende Usutu-Virus gehört zu der Gruppe der Flaviviren, zu denen unter anderem auch das West-Nil-Virus oder die Erreger von Gelbfieber, FSME und Dengue-Fieber gehören. In Europa erstmals nachgewiesen wurde es zwar in Österreich, aber, wie Norbert Nowotny vom Institut für Virologie und Herbert Weissenböck vom Institut für Pathologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien erst kürzlich im Zuge von genetischen Analysen konservierter Vogelorgane feststellten, es muss bereits 1996 in der Toskana aktiv gewesen sein.

Verwandte Viren

Nowotny, der sich seit über 15 Jahren mit Usutu- und West-Nil-Viren beschäftigt, untersuchte mit seiner Gruppe verschiedene europäische Usutu-Virus-Stämme auf ihre genetische Verwandtschaft und fand dabei, dass in Österreich, Italien und Ungarn praktisch derselbe Stamm aktiv ist, während in Deutschland, Belgien, den Niederlanden und Frankreich verwandte, aber doch andere Virustypen im Umlauf sind.

Nach einer Pause von rund zehn Jahren, in denen in Österreich keine durch Usutu-Virus verursachten Todesfälle bei Vögeln registriert worden waren, kam es im Vorjahr hierzulande – wie in vielen anderen europäischen Ländern – wieder zu vermehrtem Amselsterben, das sich heuer noch intensivierte: 2017 wurde an der Vetmed-Uni Wien bei etwa 20 Singvögeln eine Usutu-Virus-Infektion diagnostiziert. Das klingt nicht dramatisch, doch "die Dunkelziffer ist enorm", so Nowotny.

"Immerhin handelt es sich um Wildvögel, die irgendwo sterben, und selbst wenn die Kadaver in der Stadt anfallen – wer bringt sie zur Untersuchung?" Dementsprechend schätzt er das eigentliche Ausmaß der Todesfälle auf "tausendmal mehr" als die dokumentierten zwanzig Exemplare. Der darin festgestellte Stamm unterscheidet sich geringfügig von dem, der vor zehn Jahren grassierte, aber das ist nicht der Grund für den neuerlichen Ausbruch. "Die neuen Vogelgenerationen sind nicht mehr immun gegen das Virus", sagt Nowotny.

Egal um welchen Stamm es sich handelt, die Übertragung des Virus erfolgt – ebenso wie beim West-Nil-Virus – über Stechmücken. Diese sind auch imstande, Menschen zu infizieren, doch wurde Usutu – im Gegensatz zum West-Nil-Virus – bislang für Menschen als eher ungefährlich angesehen. Da in Ostösterreich das West-Nil-Virus zirkuliert, untersucht das Rote Kreuz seit 2014 alle Blutspenden, die zwischen Juni und November in Wien, Niederösterreich und im Burgenland geleistet werden, auf das West-Nil-Virus. Der dabei verwendete Test spricht auch auf das Usutu-Virus an.

Infektion meist folgenlos

Sieben der Proben, die heuer untersucht wurden, reagierten positiv und wurden an der Medizinischen sowie der Vetmed-Uni Wien untersucht. Wie sich dabei herausstellte, enthielten sechs der Blutproben kein West-Nil-, wohl aber das Usutu-Virus. Im Zuge dessen wurden auch die West-Nil-Fälle der beiden vorhergehenden Jahre noch einmal unter die Lupe genommen, wobei sich ein weiterer Usutu-Fall für das Jahr 2016 ergab – wohlgemerkt: Es wurden knapp 71.000 Proben untersucht. 2015 waren es fast 75.000, ohne einen einzigen Usutu-Nachweis. Die virushaltigen Blutspenden wurden vernichtet und die sieben Spender kontaktiert: Nur ein einziger von ihnen hatte sich im Ausland aufgehalten, und zwar in Sizilien. Keiner entwickelte Beschwerden. "Infektionen mit dem Usutu-Virus verlaufen bei gesunden Menschen gewöhnlich symptomlos", sagt Nowotny, "nur gelegentlich kann es zu Fieber und Hautausschlag kommen."

Anders sieht die Sache aber bei immungeschwächten oder anderweitig kranken Personen aus: Diese können neurologische Symptome inklusive Entzündungen des Gehirns oder der Hirnhäute entwickeln. "Gerade solche Patienten sind aber häufig Empfänger von Bluttransfusionen", gibt Nowotny zu bedenken. In manchen Ländern West- und Zentraleuropas, in denen zwar das Usutu-Virus aktiv ist, nicht aber West-Nil-Virus, wird Spenderblut bislang nicht routinemäßig auf diese Viren untersucht. Aufgrund ihrer Ergebnisse empfehlen Nowotny und seine Kollegen ein regelmäßiges Screening von Blutproben in allen Ländern, in denen das Usutu-Virus nachgewiesen wurde. (Susanne Strnadl, 23.12.2017)