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Amtsübergabe im Kanzleramt: SPÖ-Chef Christian Kern (li.) muss dem Chef der "neuen Volkspartei", Sebastian Kurz, Platz machen. "Viel Erfolg" wünschte er seinem Nachfolger.

Foto: Reuters/Leonhard Föger

Aufgesetzte Freundlichkeit, eine Übergabe in Rekordzeit: Exakt 50 Sekunden dauerte die Amtsübergabe im Bundeskanzleramt von Christian Kern (SPÖ) an seinen Nachfolger als Kanzler, Sebastian Kurz (ÖVP).

Wenn es ein Bild für die angespannte Beziehung zwischen den beiden Politikern brauchte, dann war diese Zeremonie stimmig. Ursprünglich hätte der Handschlag auf der Stiege des Kanzleramts stattfinden sollen. Der Medienandrang war groß, eine Verlegung in den Kongresssaal, wo üblicherweise die Briefings nach dem Ministerrat stattfinden, notwendig.

Die Flaggen der Bundesländer und der Republik Österreich im Rücken, wurden dann hier kurz die Hände geschüttelt. "Österreich sei in sehr gutem Zustand", sagte Kern, es liege an der neuen Regierung, darauf aufzubauen und das Land in ruhige Gewässer zu führen. Überraschend und für einen Oppositionspolitiker wohl eine ungewöhnliche Aussage, wie Kern, der ab sofort nur noch als Klubobmann der SPÖ im Nationalrat fungiert, selbst feststellte, sagte er: "Ich fände es gut, wenn diese Regierung auch Erfolg hat."

Das war es dann schon mit den Freundlichkeiten. SPÖ-Frauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek kündigte an, dass man "laut und deutlich" gegen Verschlechterungen für Frauen auftreten werde. "Frauenpolitik wird von Schwarz-Blau als konservative Familienpolitik begriffen, was auch die Integration der Frauenagenden ins Familienministerium mehr als deutlich zeigt", sagte Heinisch-Hosek. Die Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings, Sonja Ablinger, sieht Schwarz-Blau in der Frauenpolitik auf einem "Retro-Kurs".

"Law-and-Order-Denken"

Deutliche Worte fand man auch bei der Liste Pilz. Das Regierungsprogramm sei eine "Schande für Österreich", sagte Mandatar Bruno Rossmann. Gekennzeichnet sei das Programm von einem "Law-and-Order-Denken", kritisierte Klubchef Peter Kolba. Flüchtlinge würden künftig wie Schwerverbrecher behandelt, denen das gesamte Bargeld beim Asylantrag abgenommen werden soll. Die Neos ärgert der Verbleib der FPÖ in der europafeindlicher Fraktion ENF.

Kritik prasselte auf die neue Koalition aus allen Ecken ein: Amnesty International hielt Kurz und Co vor, sich zwar explizit zu den Menschenrechten zu bekennen, gleichzeitig aber mit einigen Maßnahmen im Regierungsprogramm dafür zu sorgen, dass die Rechte von Menschen in Österreich "massiv beschnitten" würden. Bei den SOS-Kinderdörfern befürchtet man wiederum Verletzungen der Kinderrechte. Geschäftsführer Christian Moser kritisierte, dass Maßnahmen zur Bekämpfung der Kinderarmut fehlen. "Wer Mindestsicherung und Arbeitslosengeldbezug kürzt, nimmt Kinderarmut in Kauf", sagte er. Die Kinderfreunde orteten ein "Angsthasen-Programm": Dieses sei über "weite Teile nebulös und eine Ansammlung von Allgemeinplätzen", sagte Vorsitzender Christian Oxonitsch, der auch Wiener SPÖ-Klubchef ist.

Warnende Worte

Warnende Worte kamen selbst von der katholischen Kirche. Kardinal Christoph Schönborn betont, dass das Gemeinwohl erstes Ziel und erste Verantwortung jeder Politik sein müsse. Dieses Wohl aller müsse über den Interessen einzelner Parteien oder sonstiger Gruppierungen stehen.

Für den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Oskar Deutsch, ist die Regierungsbeteiligung der FPÖ "besorgniserregend". Darüber könnten auch die Bekenntnisse zu Menschenrechten und Europa nicht hinwegtäuschen, hielt der IKG-Präsident am Montag fest. Und er folgerte: Man dürfe die "Gefahren nationalistischer Politik nicht unterschätzen". (APA, red, 18.12.2017)