Bitte sehr, hier geht es nach rechts: Der künftige Vizekanzler Heinz-Christian Strache und der künftige Regierungschef Sebastian Kurz

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Wien – Am Ende des Tages taten Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache so, als wären sie längst die besten Freunde. Höflich und freundlich im Umgang miteinander, geduldig mit den Journalisten, die sie auf den Wiener Kahlenberg gebeten hatten, um ihr Regierungsprogramm zu präsentieren. Sowohl ÖVP als auch FPÖ fänden sich in diesem Programm wohl zu 75 Prozent wieder, bestätigten beide Seiten. Und Strache erklärte das damit, dass wohl schon vor der Wahl der eine oder andere – augenzwinkernder Seitenhieb auf Kurz – Punkte vom anderen übernommen habe.

Selbstgewisse Präsentation

Jedenfalls erscheinen beide überzeugt, das bestmögliche Programm und das bestmögliche Team zu haben. So hätten sie es dem Bundespräsidenten in der Früh vorgestellt, so später in ihren Parteigremien jeweils einstimmig absegnen lassen.

Und auf dem Kahlenberg, mit den glitzernden Lichtern Wiens im Hintergrund, haben sie es dann der Öffentlichkeit vorgestellt.

DER STANDARD

Strache warnt vor überzogenen Erwartungen

Die Umsetzung werde viele kleine Schritte erfordern, stellte Strache in den Raum, aber nur so erreiche man den Gipfel. Das dürfte auch als Botschaft an die eigenen Wähler gedacht sein, denn manchen in der Freiheitlichen Partei ist noch in Erinnerung, wie viel Enttäuschung es in ihrem Lager gab, als in der schwarz-blauen Koalition unter Wolfgang Schüssel nicht gleich alle FPÖ-Wahlversprechen umgesetzt werden konnten: "Wir wissen beide, dass wir keine Zauberer und Wunderwuzzis sind."

Kurz zeigte sich da deutlich optimistischer, sprach von einem "Programm, das die Basis für eine echte Veränderung ist". Österreich solle auch ein Land der Vielfalt sein – aber Grundwerte haben, die für alle gelten. Mit eigener Arbeit müsse man sich etwas aufbauen können, und jener, der arbeite, dürfe nicht der Dumme sein, wiederholte der ÖVP-Chef seine Botschaften aus dem Wahlkampf.

Volksschulnoten für Strache nicht retro

Man habe das Ziel der Deregulierung gemeinsam, man wolle gemeinsam die Sozialsysteme treffsicherer machen, und Aufstieg durch Bildung ist noch so ein Anliegen, das offenbar gemeinsam abgenickt wurde. Dass Notengebung in der Volksschule in der medialen Kommentierung als "retro" bezeichnet wurde, wurde von Strache in diesem Zusammenhang mit dem Hinweis gekontert, dass auch in den erfolgreichen asiatischen Bildungssystemen von Anfang an Noten vergeben würden.

Und auch die negative Kommentierung der Raucherregelung für die Gastronomie will Strache nicht verstehen: "Wir sagen klar, dass jeder Nichtraucher seinen Schutz findet", aber ebenso klar müsse doch sein, dass jemand zu seinem Kaffee eine Zigarette rauchen will.

Gesamtänderung der Verfassung

Schließlich die direkte Demokratie, die als gemeinsames Anliegen verkauft wird, obwohl Strache anmerkt, dass ihm wohl lieber gewesen wäre, wenn die neue Koalition auch Volksabstimmungen über einen EU-Austritt zugelassen hätte: "Wir haben keine Angst vor der Entscheidung der Bürger."

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Kurz wird danach gefragt, ob die angepeilten Bestimmungen zur direkten Demokratie einer Gesamtänderung der Bundesverfassung bedürfen. Er stimmt zu: Wenn aus Volksbegehren verpflichtende Volksabstimmungen werden sollen, müsste das zunächst so mit Zweidrittelmehrheit im Parlament beschlossen und dann den Bürgern zur Abstimmung vorgelegt werden. Wenn es aber – wie derzeit abzusehen – keine Zweidrittelmehrheit gibt? Dann würde die Regierung eine Volksbefragung zu dem Thema ansetzen und im Fall eines positiven Ausgangs erwarten, dass sich danach eine Verfassungsmehrheit im Parlament und eben auch eine Mehrheit in der Bevölkerung findet.

Europabekenntnis auch von der FPÖ

Und wie steht es um die Europapolitik? Ein Europabekenntnis findet sich gleich im Vorwort des Regierungsprogramms: "Nur in einem starken Europa kann es auch ein starkes Österreich geben", liest man da. Darunter die Unterschriften der beiden Herren, die einander dann freundlich bestätigten, was für starke, verlässliche Charaktere sie doch sind. Man werde in der EU für die eigenen Überzeugungen eintreten, aber akzeptieren, wenn es andere Mehrheiten gebe. Verlässlich will man auch bei Ceta und den Russland-Sanktionen sein. Strache bestätigte diese Haltung, auch wenn er sich eine Aufhebung der Maßnahmen gegen Moskau wünschen würde. Der FPÖ-Chef bot sich beziehungsweise Österreich insgesamt als Mediator an. (Conrad Seidl, 16.12.2017)