"You are fake news!" – Mit diesem berühmt gewordenen Satz bedachte Donald Trump im Jänner 2017 in einer seiner ersten Pressekonferenzen als 45. Präsident der USA einen Reporter des CNN. Die Bezeichnung Fake News ist in den vergangenen Jahren zu einem Schlagwort avanciert, das einen Passpartoutbegriff im Sinne Umberto Ecos darstellt – also ein Wort, mit dem "jeder alles machen könne", da es keine terminologische Schärfe aufweist. Ein historischer Blickwinkel zeigt, dass es sich bei Fake News keineswegs um eine neue Erscheinung handelt. Dennoch weisen Fake News im digitalen Zeitalter besondere Qualitäten auf, die untrennbar mit der Genese digitaler Öffentlichkeiten und der veränderten Stellung des Subjekts im Kontext digitaler Medialität zusammenhängen.

Was Fake News sind

Fake News sind gezielte Falschmeldungen, die sich auf den ersten Blick nicht von faktisch korrekten Nachrichten unterscheiden lassen. Sie werden aus politischen oder ökonomischen Gründen lanciert, um die öffentliche Meinung in eine bestimmte Richtung zu lenken. Fake News sind bewusste Lügen, keine simplen Irrtümer, abweichende Meinungen oder Fehleinschätzungen der Autoren. Sie stellen beabsichtigte Irreführung dar. Obwohl sich die Grenzen zwischen einseitiger Betrachtung, bewusster Auslassung relevanter Fakten und offener Lüge nicht immer trennscharf ziehen lässt, ist die Täuschungsabsicht ein Kriterium für Fake News. Folglich fällt Satire nicht unter den Begriff, auch wenn sich in rein phänomenologischer Betrachtung viele Übereinstimmungen finden lassen.

Fake News als historisches Phänomen

Als Topos tauchen Fake News besonders stark im Zusammenhang mit Trumps Präsidentschaft auf. Das zugrundeliegende Prinzip ist jedoch deutlich älter. In der Geschichte massenmedial formierter Öffentlichkeiten finden sich zahlreiche Beispiele für bewusst in die Welt gesetzte Unwahrheiten.

Der Fake-News-Spruch gehört zu Trumps bekanntesten.
Foto: REUTERS/Carlo Allegri

In der propagandistischen Auseinandersetzung der Reformation spielten neben offenen Schmähschriften und theologischen Disputen auch Fake News eine bedeutende Rolle. Alle Seiten streuten gezielte Desinformation, um die öffentliche Meinung zu ihren Gunsten zu beeinflussen. So unterstellte beispielsweise der katholische Theologe Thomas Murner in einer zu Weihnachten 1520 erschienen Flugschrift dem Reformator Martin Luther, dieser strebe unter dem Deckmantel der Kirchenreform eine soziale Revolution an. Luther wolle Väter gegen ihre Kinder, Brüder gegen Brüder, Untertanen gegen die Obrigkeit aufbringen "das weder bapst / keiser / künig /bischoff / bader / oder süwhirt nit mer sollent vnterscheidet werden". Ausgerechnet Luther, der von den Revolutionären gar als "Fürstenknecht" geschmäht werden sollte, ließ allerdings in seinen Schriften keine Liebe für soziale Reformen erkennen.

Im 20. Jahrhundert bedienten sich vor allem totalitäre Staaten in ihrer Propaganda häufig gezielter Falschmeldungen. Als es im Jahr 1950 in weiten Teilen der DDR zu einer Kartoffelkäferplage kam, die massive Ernteeinbußen verursachte, machte die Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) sehr schnell einen Schuldigen aus und informierte die Bevölkerung auch umgehend durch ihr offizielles Parteiorgan: "USA-Flugzeug warf Kartoffelkäfer ab", titelte die "Neues Deutschland", die auflagenstärkste Tageszeitung der DDR. Hier lässt sich auch die Funktionsweise einer de facto gleichgeschalteten Presse erkennen, da alle anderen DDR-Massenmedien die erfundene Geschichte ebenfalls lancierten.

Fake News und Social Media

Waren die SED-Eliten noch auf die Kontrolle über die klassischen Massenmedien angewiesen, hat Trump einen entscheidenden Vorteil. Er kann in seiner Kommunikation über weite Strecken ohne die Unterstützung der sogenannten vierten Gewalt, der Presse, agieren. Wie kaum ein Politiker vor ihm nutzt Trump für seine öffentliche Darstellung soziale Medien, speziell Twitter. Mit 43,5 Millionen Followern (Stand: November 2017) hat Trump selbst eine mediale Reichweite, von der viele der klassischen Massenmedien nur träumen können.

Trump bezichtigt liberale Medien auf Twitter, Fake News zu verbreiten. 

Soziale Medien wie Facebook oder Twitter müssen in diesem Zusammenhang als ambivalente Medienumgebungen gedacht werden. Sie bieten ihren Nutzern eine sehr niederschwellige Möglichkeit, selbst als Medienproduzenten zu agieren. Kurz gefasst, hat die Digitalisierung – hier von Form der Sozialen Medien – die Stellung des Menschen als Subjekt radikal verändert, indem sie ihn stärker als zuvor ermächtigt hat, seinen Ort in der medialisierten Umwelt selbst festzulegen. Gleichzeitig sind die User in der Nutzung der Sozialen Medien einem relativ engen Korsett an Usability unterworfen – schließlich haben sie nur Zugriff auf die Oberfläche dieser Webseiten, während ihnen die Strukturen im Backend verborgen bleiben.

Facebooks gefährliche Filterblase

Gerade in Bezug auf Facebook kann dies ausgesprochen problematisch sein. Denn während andere Soziale Medien wie Twitter ihren Nutzern einen unsortierten Strom aller Nachrichten und Updates der abonnierten Seiten anzeigen, sortiert Facebook die Daten durch einen Algorithmus vor. Dieser Algorithmus entscheidet, was den jeweiligen Usern angezeigt wird und was nicht. Ihm obliegt also, welche Nachrichten es in die Timeline schaffen.

Diese Vorsortierung kann dazu führen, dass sich die User in einer so genannten Filter Bubble bewegen, da ihnen nur mehr Nachrichten und Inhalte präsentiert werden, von denen der Algorithmus glaubt, es interessiere sie. Dadurch kann es passieren, dass den Nutzern bevorzugt Informationen angezeigt werden, die deren bereits vorgefasstes Weltbild noch zusätzlich unterstützen. Anbieter können diesen Effekt verstärken, indem sie für die privilegierte Platzierung ihrer Inhalte bezahlen – zahlreiche Fake News im US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 2016 wurden als solche Anzeigen geschaltet.

Trump-Beraterin Kellyanne Conway prägte den Fake-News-Begriff "Alternative Fakten".
Foto: REUTERS/Kevin Lamarque

Distribution und Produktion von Fake News

Fake News sind ein altes propagandistisches Instrument. Was daran im digitalen Zeitalter neu ist, lässt sich an zwei Faktoren, nämlich Produktion und Distribution, festmachen. War es bis vor wenigen Jahrzehnten hauptsächlich Eliten vorbehalten, falsche Nachrichten in die Welt zu setzen, kann gegenwärtig beinahe jeder Fake News im Netz veröffentlichen. Zu ihrer Verbreitung sind diese Falschmeldungen nicht länger auf klassische Massenmedien angewiesen, da Soziale Netzwerke diese Aufgabe übernehmen. Die Demokratisierung der Medienöffentlichkeiten durch Digitalisierung hat also auch vor dem Phänomen Fake News nicht halt gemacht. (Thomas Walach, Martin Tschiggerl, 19.12.2017)

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