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Martin Schulz empfiehlt seiner SPD, mit der Union zu reden.

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Aber erst nach Silvester.

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Nürnberg – Der Freitag ist das, was man im politischen Berlin einen Großkampftag an mehreren Orten nennt. Während Kanzlerin Angela Merkel am Vormittag in Brüssel beim EU-Gipfel sitzt, tagt in Berlin der SPD-Vorstand und füllt sich in der Messe Nürnberg eine große Halle mit Delegierten der CSU. Sie finden sich unter einem Kruzifix ein und werden von CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer begrüßt.

Der gibt ansonsten gerne den Scharfmacher, bekennt aber an diesem Freitag: "Wir sind adventlich gestimmt und vorweihnachtlich." Daher fallen die üblichen Seitenhiebe gegen die Sozialdemokraten aus. "Sie haben halt ein bisserl Zeit gebraucht", sagt Scheuer nur und bittet dann gen Berlin: "Jetzt sollen sie schnell an den Verhandlungstisch kommen."

Aber zunächst kommt in Berlin SPD-Chef Martin Schulz an ein Stehpult, nämlich eines im Willy-Brandt-Haus in Berlin. Dort verkündet er, worauf die Union seit vielen Tagen wartet: Die SPD ist nach dem Jahreswechsel zu Sondierungen mit der Union über eine neue große Koalition bereit. Zu ergebnisoffenen Sondierungen, wohlgemerkt.

Das ist der SPD wichtig. Zwar fiel der Beschluss im Parteivorstand einstimmig, aber die SPD-Spitze tut alles, um ihrer Basis und ihren Wählern zu vermitteln, dass es keinen Automatismus für eine neue GroKo gebe. "Ob die Gespräche in eine Regierungsbildung münden, ist offen", sagt Schulz also. Und er stellt klar: "Wir wollen eine andere Regierungskultur." Ein "Weiter so" werde es nicht geben.

Söder bekommt mehr Beifall

Das ist auch das Motto in Nürnberg beim CSU-Parteitag. In der ersten Reihe sitzen Horst Seehofer und Markus Söder mit sehr ähnlichen rot-weißen Krawatten einträchtig nebeneinander, während Generalsekretär Scheuer das zweitägige Treffen in der Messehalle zum "Parteitag der Geschlossenheit und der Entschlossenheit" ausruft. Es soll signalisieren, dass die Grabenkämpfe in der CSU-Spitze überwunden sind; dass nunmehr alle gemeinsam für den Erhalt der absoluten Mehrheit bei der Landtagswahl im Herbst 2018 kämpfen.

Aber an einem Parteitag ist ja auch der Applaus immer ein Seismograf – und so lässt sich nicht überhören, wer gerade als wie wichtig eingestuft wird. Als Scheuer Parteichef und Noch-Ministerpräsident Seehofer begrüßt, gibt es geschäftsmäßigen Beifall. Als er Finanzminister Söder willkommen heißt, der Seehofer im ersten Quartal 2018 als Regierungschef nachfolgen wird, da brandet deutlich begeisterter Applaus auf. Söder ist der Mann der Zukunft. Allerdings ist Nürnberg auch seine Heimat, er hat hier etwas Heimvorteil.

Apropos Heimvorteil: Der Stargast des ersten Tages hat diesen hier in Bayern ganz sicher nicht. Am späten Nachmittag fliegt Merkel ein, um ihr traditionelles Grußwort an die Schwesterpartei auszusprechen.

Jeder im Saal kann sich an den Parteitag 2015 erinnern. Auch damals war Merkel nach Bayern zur CSU gekommen, und Seehofer hatte sie wegen der offenen Grenzen und der vielen Flüchtlinge, die damals nach Deutschland kamen, auf offener Bühne wie ein Schulmädchen abgekanzelt. Es war der Beginn eines tiefen Zerwürfnisses, das – so meinen viele – bis heute nicht gänzlich überwunden ist. Doch als Merkel eintrifft, wird sie mit sehr freundlichem Applaus – allerdings auch ein paar Pfiffen – begrüßt.

"Lieber Horst Seehofer", begrüßt sie ihn und fügt lächelnd hinzu: "Ob Sie es glauben oder nicht: Ich freue mich richtig, heute wieder auf einem CSU-Parteitag zu sein." Die Lacher darauf hat sie auf ihrer Seite.

Merkel lobt Zusammenarbeit

Merkel lobt auch die Zusammenarbeit zwischen CDU und CSU – vor allem das Regelwerk bei der Zuwanderung. Denn: "Stark sind CDU und CSU immer dann, wenn sie einig sind." Daher werde sie auch Seehofers Nachfolger Söder "gerne unterstützen".

Doch Merkel streichelt auch die SPD. Sie begrüßt den Beschluss zu Sondierungsgesprächen und meint: "Ich habe vor diesem Beschluss großen Respekt." Schließlich habe die SPD seit der Wahl am 24. September und ihrer Entscheidung, in Opposition zu gehen, einen langen Weg gehen müssen. Jetzt werde man die Gespräche "konzentriert aufnehmen".

Diese Woche treffen sich Merkel, Seehofer und Schulz noch einmal. Dann ist Weihnachtspause, nach Silvester aber geht es los mit dem Sondieren. Ob daraus Koalitionsgespräche werden, wollen die Sozialdemokraten auf einem Sonderparteitag Mitte Jänner entscheiden. (Birgit Baumann aus Nürnberg, 15.12.2017)