Mit Affen- und Schweinemasken verkleidet und untermalt von Hardbass-Musik störten zehn junge Männer in Wien im Herbst 2012 eine Veranstaltung der Caritas zum Thema "Tanz für Toleranz". Wenige Tage später bejubelten die "Identitären in Wien" auf Facebook die Störaktion, mit der der damals noch jungen Gruppe gleich mehrerlei gelang: auf sich aufmerksam zu machen und die Neugier darüber zu wecken, wer wohl hinter der Aktion sowie der Gruppe steckt, aber auch zu irritieren, da die bislang bekannten Formen rechtsextremer Angriffe anders ausgesehen hatten.

Was zu diesem Zeitpunkt noch einen Skandal ausmachte oder zumindest ein wenig Aufregung hervorrief, ist inzwischen zu einer traurigen Alltäglichkeit geworden, zu deren Normalisierung und Gewöhnung österreichische Medien maßgeblich beigetragen haben. Gerade die unkritische Berichterstattung über nahezu jede Aktion der Identitären durch österreichische Tageszeitungen oder Fernseh- und Radionachrichten, haben der Gruppe letztendlich zu dem Bekanntheitsgrad und der Bedeutung verholfen, die sie heute für sich beanspruchen.

Einer der führenden Akteure der rechtsextremen Identitären-Bewegung, Martin Sellner, in Wien.
Foto: DER STANDARD

Kleine Gruppe – großes Aufsehen

Ein Blick auf die Aktionen der Identitären verdeutlicht, dass es zumeist weniger eine große Anzahl von Aktivisten braucht, als vielmehr spektakuläre Inszenierungen, um Aufmerksamkeit und medienwirksame Bilder zu erzeugen. So kletterten Mitglieder der Gruppe in der Vergangenheit auf Dächer wichtiger Gebäude, besetzten Parteizentralen oder störten Veranstaltungen – untermalt von zahlreichen Fahnen und Transparenten mit einprägsamen Botschaften. Provokation beziehungsweise das Hervorrufen von Skandalen, Empörung und Aufregung werden somit bewusst eingesetzt, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Das bedeutet, dass die Identitären genau wissen, was sie tun müssen, damit in den Medien über sie berichtet wird und sie auf diese Weise Gesprächsthema werden und bleiben.

Das gelang ihnen selbst in Zeiten, als ihr harter Kern kaum mehr als 20 und ihr Sympathisantenkreis an die 100 Personen betrug. Gerade die Fülle an medialer Berichtserstattung ließen die Gruppe dadurch oftmals größer und wirkmächtiger erscheinen, als es tatsächlich der Fall war. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass österreichische Medienvertreter sich in diesem Zusammenhang als Musterschüler dieser Strategie erwiesen haben, da gerade in den ersten Jahren der Identitären über fast jede Aktion berichtet wurde – nicht selten ohne diese zu analysieren oder zu kommentieren. Vor allem die Kurzberichterstattung kam oftmals ohne Erwähnung, dass es sich bei den Identitären um eine rechtsextreme Gruppe handle aus, und auch sonst wurde zumeist ausschließlich die Aktion beschrieben und die damit verbundenen Forderungen unkommentiert reproduziert.

Meldungen dieser Art finden sich seit Jahren in beinahe allen österreichischen Tageszeitungen, und so waren die Identitären und ihr Aktionismus jenen, die regelmäßig eine solche lesen, binnen kürzester Zeit ein Begriff – vermutlich jedoch weniger die politische Einordnung der Gruppe beziehungsweise die Ideologien, für die sie sich stark machen. So führte die mediale Berichterstattung vor allem dazu, dass die Identitären immer mehr Aufmerksamkeit bekamen, dadurch bekannter wurden und ihre Botschaften und Forderungen Verbreitung fanden. Dass Formulierungen wie "der große Austausch" oder "Remigration" inzwischen auch losgelöst von der Berichterstattung über die Identitären von diversen Medien übernommen wurden, lässt den Grad der Normalisierung und der fortschleichenden erfolgreichen Einflussnahme auf politische Diskurse ablesen.

Wirksame Bilder

Eine ähnliche Vorgehensweise verdeutlicht sich auch anhand der unkommentierten Übernahme des von den Identitären produzierten Bildmaterials, mit der – wenn auch nicht bewusst gewollt – Werbung für die Selbstinszenierung der Gruppe betrieben wird. Da Ort und Zeitpunkt ihrer Aktionen meist nicht vorher veröffentlicht werden, verfügen die Identitären, abseits von schaulustigen Passanten, zumeist selbst als Einzige über entsprechendes Bildmaterial – das sie Medien bereitwillig für die Veröffentlichung zur Verfügung stellen. Dadurch werden genau jene Bilder reproduziert, mit denen sich die Identitären selbst in der Öffentlichkeit sehen und inszenieren wollen. Aber auch bei ihren Aufmärschen blitzen die Fotoapparate und laufen die Kameras, wenn sie sich in Position bringen und eigens für Journalisten posieren.

Für die Bebilderung der meisten Berichterstattungen, aber auch kritischen Texten über die Identitären – aktuell aber auch über Rechtsextremismus allgemein, – werden zumeist ebendiese Bilder ihrer Aktionen und Aufmärsche verwendet, auf denen nicht nur ihr Symbol, das Lambda, auf gelben Fahnen zu sehen ist, sondern meist auch Transparente mit ihren Botschaften. Auch damit kommen Zeitungsmachern der Strategie der Identitären nach, die sie beispielsweise in den geleakten internen Papieren der "Identitären Bewegung Allgäu" (2017) beschreiben: "Wir kennen alle die ikonischen Bilder, die um die Welt gehen […]. Das Ziel einer jeden Aktion ist, das Bild zu erschaffen, das für eine klare Idee steht." Dass diese Bilder eine bestimmte Wirkmächtigkeit entfalten können, ist nämlich erst möglich, wenn diese auch Verbreitung beziehungsweise Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit erhalten und genau dazu verhilft ihnen die mediale Verbreitung besagter Bilder.

Gegendemonstration gegen einen Aufmarsch der Identitären.
Foto: DER STANDARD

Aus Fehlern lernen?

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass jede Aufmerksamkeit, die nicht von einer kritischen Analyse begleitet wird, den Identitären Raum bietet, ihre menschenverachtende Ideologie zu verbreiten. So ist es im besten Fall Naivität, im schlimmsten einfach Unvermögen, dass Journalisten immer noch glauben, dass sich die Rechten, wenn eins sie denn sprechen lässt, von selbst entzaubern würden. Nun kann den Medienvertretern in Österreich zugute gehalten werden, dass sie nicht darauf vorbereitet waren, dass sie es plötzlich mit Rechtsextremen zu tun hatten, die freiwillig vor jede ihnen angebotene Kamera beziehungsweise jedes verfügbare Mikro hüpfen würden, um ihr Gedankengut auf diese Weise in der Öffentlichkeit zu verbreiten.

Entsprechend kann in der Entstehungszeit der Identitären Verständnis dafür aufgebracht werden, dass Medienvertreter diese modernisierte Variante des Rechtsextremismus nicht erkannten. Inzwischen sind jedoch einige Jahre vergangen, in denen die Frage diskutiert werden hätte sollen, wie Berichterstattung aussehen könnte, die Rechtsextremen und Neofaschisten nicht in die Hände spielt.

Als wichtiger Schritt in die richtige Richtung kann beispielsweise der "Vice"-Beitrag "Die Redaktion diskutiert: Wie sollen wir über den Aufmarsch der Identitären berichten?" gelesen werden. Darin stellen sie unter anderem die Frage "Was davon ist Werbung, was davon sind Nachrichten?". Ähnliche Diskussionen wären auch von anderen Medien wünschenswert und in jedem Fall ein wichtiger Schritt, um zu adäquaten Lösungen zu kommen. Denn nur so können Medien nicht nur den Aufstieg, sondern auch den Abstieg der Identitären begleiten. (Judith Goetz, 18.12.2017)

Judith Goetz ist Literatur- und Politikwissenschafterin, Mitglied der Forschungsgruppe Ideologien und Politiken der Ungleichheit sowie des Forschungsnetzwerks Frauen und Rechtsextremismus.

Literaturhinweis

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