Das Argument der Freiheitsbeschränkung zeigt ein zutiefst verstörendes Verständnis von menschlichem Miteinander.

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Die Rücknahme des Rauchverbots, das 2018 in Kraft hätte treten sollen, hat für einen Sturm der Entrüstung gesorgt. Kein einziger Gesundheitsverband hat ein gutes Wort dafür übrig, und die Befürworter einer Raucherlaubnis in Gaststätten kämpfen damit, überzeugende Argumente dafür zu finden. Das ist verständlich. Denn eine Raucherlaubnis geht nicht nur gegen wissenschaftliche Erkenntnisse aus anderen EU-Ländern, sondern auch gegen grundlegende, menschliche Umgangsformen.

Gesundheitliche Auswirkungen der Rauchverbote

Zuerst zur Wissenschaft. Österreich ist einer der europäischen Staaten, in dem es prozentuell gesehen die meisten Raucher gibt. Jährlich sterben knapp 15.000 an den direkten Folgen des Rauchens, und was noch schlimmer ist, 1.000 Personen sterben an Passivrauchen. Eine Studie der EU-Kommission ergab, dass es den EU-Staaten jedes Jahr 0,22 Prozent des Bruttoinlandsprodukts kostet, die direkten Folgen von Zigarettenkonsum zu behandeln. In Österreich wären das umgerechnet 850 Millionen Euro, was einem Drittel der gesamten Gesundheitskosten Wiens entspräche.

Italien war ebenfalls ein Land, das eine sehr hohe Raucherquote aufwies, weshalb die Regierung 2005 beschloss, ein absolutes Rauchverbot in der Gastronomie einzuführen. Irland nahm eine Vorreiterrolle ein und führte bereits 2004 ein absolutes Rauchverbot ein. Spanien ging den "österreichischen Weg". Weil man befürchtete, ein totales Rauchverbot in Restaurants und Bars würde viele Gastronomiebetriebe dazu zwingen, ihre Geschäfte einzustellen, erlaubte man den Gastronomen zwischen drei Optionen zu entscheiden: totales Rauchverbot, kein Rauchverbot oder abgetrennter Nichtraucherbereich in ihren jeweiligen Lokalen. Fünf Jahre später, also 2011, kam das absolute Rauchverbot in allen Gastronomiebetrieben.

Die Rauchverbote konnten die Nikotinkonzentration in der Luft um bis zu 83 Prozent (in Irland) senken. In Italien sank die Nikotinkonzentration je nach untersuchter Stadt um rund 30 Prozent. Das Rauchverbot Spaniens ist aus wissenschaftlicher Sicht besonders interessant. Dort maß man die Cotininkonzentration – Cotinin ist die verstoffwechselte Form von Nikotin – bei Angestellten in der Gastronomie. Es zeigte sich, dass die Cotinininkonzentration nur den Betrieben signifikant gesenkt werden konnte, in denen es ein absolutes Rauchverbot gab. In Gaststätten mit abgetrennten Raucherbereichen sank die Cotininkonzentration nur minimal und außerhalb statistischer Signifikanz. Auch die Konzentration von Nikotin in der Luft sank nur um wenige Prozentpunkte.

Müssen Restaurants und Bars zusperren?

Absolute Rauchverbote konnten also ihr wichtigstes Versprechen halten, nämlich die negativen Auswirkungen von Passivrauchen einschränken. Was aber ist mit den wirtschaftlichen Risiken? Sind sie begründet? Dazu gibt es weniger Studien, aber die, die existieren, zeigen in eine eindeutige Richtung. So wurden italienische Restaurantbesitzer 2007 befragt, ob sie durch das neue Gesetz wirtschaftliche Verluste erlitten haben. Nur 12 Prozent der Befragten bejahten diese Antwort, während 55 Prozent sagten, dass sie keine Verluste erlitten oder sogar einen positiven Effekt feststellen konnten.

Zum spanischen Rauchverbot 2011 wurde eine statistische Analyse von Forschern für öffentliche Gesundheit in Las Palmas und Barcelona erstellt. Sie fanden heraus, dass 2011 7,7 Prozent der Gastronomiebetriebe ihren Betrieb einstellten, also im Jahr des Inkrafttreten des Rauchverbots. Interessant ist hierbei, dass 2009, noch vor dem Gesetz, 10,4 Prozent der Gastronomiebetriebe zusperren mussten. Ergebnis der Studie war, dass die Arbeitslosenrate einen viel größeren Einfluss auf die finanzielle Gesundheit der Gastronomie hatte als das Rauchverbot. Die Forscher konnten keine signifikanten Auswirkungen des Rauchverbots feststellen.

Feelings over Facts

Wir leben in einem postfaktischen Zeitalter, in dem wissenschaftliche Erkenntnisse an Stellenwert verloren haben. Die Befürworter des Rauchverbot-Stopps sind als Verteidiger der postfaktischen Tradition zu sehen. Sie vermeiden es konsequent, mit Fakten zu argumentieren – sondern begründen ihren Standpunkt mit subjektiven Eindrücken und Empfindungen.

So ist das Hauptargument, dass ein Kippen des Rauchverbots die Freiheit der Raucher vergrößern würde. Welche Freiheit meinen die Befürworter eigentlich? Die Freiheit eines Rauchers, andere Menschen gesundheitlichen Risiken auszusetzen? Die Freiheit der Nichtraucher, nicht mit toxischem Rauch vergiftet zu werden, ist es wahrscheinlich nicht. Diese Freiheit wird mit dem Argument gekontert, dass niemand einen zwinge, sich in ein Raucherabteil zu setzen. Davon abgesehen, dass dieses Argument an der Realität vieler Barbesuche vorbeigeht, bei dem Gruppen aus Rauchern und Nichtrauchern meist nachsehen mit den Rauchern haben, kann dieses Argument auch leicht gegen die Befürworter verwendet werden. Niemand zwingt sie selbst, sich in ein Raucherabteil zu setzen und sich dort eine nach der anderen anzuzünden, außer die eigene Nikotinsucht. Und bei der ist es oftmals im Interesse des Rauchers selbst, diesen Zwang zu besiegen.

Was das Argument der Freiheitsbeschränkung zeigt, ist ein zutiefst verstörendes Verständnis von menschlichem Miteinander. Es sagt sinngemäß: "Lass mich in Ruhe meine Zigarette rauchen. Du kannst mir nicht sagen, was ich tun oder lassen soll. Ich weiß selber am besten, was gut für mich ist!" Offensichtlich nicht, sonst würde der Raucher ja nicht rauchen. Jedem Raucher sind die enormen gesundheitlichen Risiken von Zigarettenkonsum bewusst, doch scheint für sie kurzfristige Stimulierung wichtiger zu sein als langfristige Gesundheit. Und das aus einfachem Grund: den Nutzen einer Zigarette bekommt nur der Raucher, die Kosten dafür trägt nicht nur er selber, sondern die gesamte Gesellschaft. Es ist ein Ausdruck tiefer Rücksichtslosigkeit gegenüber seinen Mitmenschen. (Maximilian Belschner, 13.12.2017)