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Climeworks-Module an Müllverbrennungsanlage in der Schweiz.

Foto: Reuters

Wien – Im Süden Islands nahe dem Vulkan Hengill liegt eine der größten Geothermieanlagen der Welt. Das Kraftwerk Hellisheidi wandelt hier Erdwärme in elektrischen Strom um, der die Hauptstadt Reykjavík versorgt. Seit kurzem fällt der ohnehin minimale CO2-Abdruck der Anlage noch positiver aus: Das Schweizer Start-up Climeworks betreibt hier eine Pilotanlage, die die Abwärme des Kraftwerks nutzt, um Kohlendioxid aus der Luft abzuscheiden und sie im Erdreich zu speichern.

Treibhausgas direkt aus der Luft zu holen galt lange Zeit als ineffiziente und wirtschaftlich im großen Maßstab kaum umsetzbare Methode. Zu gering sei der Anteil an CO2-Molekülen in der Luft, zu energieaufwendig die chemischen Abscheideverfahren. Climeworks möchte mit seinem Verfahren das Gegenteil beweisen.

Wiederverwendbare Filter

Die Module des Start-ups bestehen aus Ventilatoren, die große Mengen Luft über einen Filter bewegen, erklärt Valentin Gutknecht von Climeworks. Die große Oberfläche des Filters ist mit speziellen Aminen angereichert, die basisch reagieren und mit dem sauren Kohlendioxid Verbindungen eingehen. Nach wenigen Stunden ist der Filter mit CO2 angereichert, das durch Erhitzen wieder abgeschieden wird. Die Filter könnten mehrere Tausend Male wiederverwendet werden, erklärt Gutknecht. Da für den Betrieb die sonst kaum verwertbare Abwärme des Kraftwerks verwendet wird, soll auch die Lebenszyklusrechnung positiv aussehen. "Für 100 aus der Luft abgeschiedenen Tonnen CO2 fallen durch Bau, Betrieb und Entsorgung der Module unter zehn Tonnen an", rechnet Gutknecht vor.

In Island wird das CO2 in unterirdischen Basaltschichten eingelagert, wo es in wenigen Jahren versteinert. Bei einer Testanlage von Climeworks in Zürich wird ein Gewächshaus mit CO2 versorgt. Gutknecht sieht zudem in der Versorgung der Getränkeindustrie mit Kohlendioxid einen Markt. Auch synthetische Kraftstoffe, bei denen Wasserstoff mit CO2 angereichert wird, könnten beliefert werden.

Neben Climeworks oder dem kanadischen Start-up Carbon Engineering mit seiner ähnlichen Methode gibt es aber noch weitere Möglichkeiten, CO2 aus der Atmosphäre zu entziehen. "Bereits in den 1990er-Jahren erwog man die Düngung der Ozeane. Nährstoffe sollen dabei das Wachstum von Mikroalgen ankurbeln, die CO2 binden und nach dem Absterben auf den Meeresboden absinken", erklärt Stefan Schäfer, Climate-Engineering-Forscher am Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) im Potsdam und Associate Fellow an der Universität Oxford. Während es um diesen Ansatz wieder ruhig wurde, stehe in heutigen Modellen die sogenannte BECCS-Methode (Bio-Energy with Carbon Capture and Storage) im Vordergrund, wobei aus Biomasse Energie erzeugt, das CO2 dabei aus dem Abgasstrom abgeschieden und im Boden gespeichert werden soll.

Zerstörte Ökosysteme

Bei BECCS stellt sich für Schäfer allerdings die Frage, auf welchen Landflächen die benötigte Biomasse angebaut werden soll. Schon bei der Nahrungsmittelpreiskrise 2007/08 sei diskutiert worden, inwiefern dazu die Förderung von Biodiesel beitrug. Eine öfters diskutierte Aufforstung großer Wüstengebiete würde hohe Energieeinsätze erfordern und bestehende Ökosysteme zerstören – für viele Wissenschafter auch keine Lösung.

"Die verschiedenen Technologien, die der Atmosphäre CO2 entziehen, können durchaus ihren Anteil liefern", fasst Schäfer zusammen. "Sie sind aber kein Allheilmittel und können keinesfalls die Reduktion der Emissionen ersetzen." Umgekehrt reichen die Anstrengungen zur Reduktion der Emissionen aber längst nicht aus, um das angestrebte Ziel einer Erwärmung um lediglich zwei Grad Celsius zu erreichen. "Die Staaten gehen somit implizit davon aus, dass das CO2 irgendwann wieder abgeschieden werden kann", urteilt der Wissenschafter. "Dennoch wird kaum etwas dafür getan, Technologien zu erforschen, die im großen Maßstab eingesetzt werden können." Dazu kommt der wirtschaftliche Aspekt: "Die Extraktion von CO2 aus der Atmosphäre ist eine Dienstleistung, für die noch kaum Nachfrage besteht. Ein Markt müsste erst geschaffen werden", betont Schäfer.

Preis drücken

Climeworks spekuliert langfristig etwa auf einen Markt für Negativemissionen durch eine Intensivierung des CO2-Handels. Beim EU-Emissionshandel liegt derzeit eine Tonne CO2-Ausstoß bei etwa sechs Euro. Climeworks schafft die Extraktion einer Tonne zurzeit um immerhin 600 Dollar (circa 510 Euro) und will den Preis mit der Zeit auf 100 Dollar drücken.

Aber auch in dem Unternehmen ist klar, dass seine Module nur eine von vielen Klimamaßnahmen sein können. Gutknecht nennt als Ziel seines Start-ups, ein Prozent der globalen Emission abscheiden zu können. Das wären 300 Millionen Tonnen, was mit Anlagen in der Größe von 750.000 Schiffscontainern bewältigbar sei.

Bei Climeworks erwartet man, dass sich die Klimaindustrie ähnlich der Ölindustrie entwickelt, mit einem Portfolio an Technologien und Unternehmen. Im Moment werden bei der Pilotanlage in Island 50 Tonnen pro Jahr abgeschieden, nach einem Ausbau sollen es bis zu 3000 werden. (Alois Pumhösel, 14.12.2017)