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Schiitische Milizionäre unter sich: Der Iraker Khazali wird von seinen Gastgebern von der Hisbollah an die israelische Grenze geführt.

Foto: AP / Al-Ahd TV Station

Bagdad/Wien – Das Besuchsprogramm inkludierte einen Spaziergang an der Grenze zu Israel: Feind schauen. Der irakische schiitische Milizenführer Qais al-Khazali wurde vergangenen Freitag von seinen Gastgebern, der libanesischen Hisbollah, in den Südlibanon gebracht. Die Bilder müssen für Premier Saad al-Hariri wie eine Ohrfeige gewesen sein: Er hatte gerade seinen Rücktritt zurückgenommen, weil sich die libanesischen Parteien einmal mehr dazu verpflichtet hatten, alle regionalen Konflikte aus dem Libanon herauszuhalten.

Qais al-Khazali führt eine jener irakischen Milizen an, die in der Gefolgschaft des Iran stehen: die Asaib Ahl al-Haq (AAH, Liga der Rechtschaffenen). Die AAH steht gemeinsam mit der Harakat Hisbollah al-Nujaba (Bewegung der Partei der Vornehmen Gottes) in einem aktuellen US-Gesetzesentwurf, dem "Iranian Proxies Terrorist Sanctions Act". Diese beiden irakischen Milizen sollen deshalb mit US-Sanktionen belegt werden, weil sie ganz offen auf der Seite des Iran auch in Syrien kämpfen. Der Nujaba-Chef, Akram al-Kaabi, steht bereits seit 2008 auf der US-Terrorliste. Und zu den Nujaba gehört auch der vielleicht bekannteste irakische Milizionär, Abu Mahdi al-Muhandis (ein Aliasname), dessen Zusammenarbeit mit den iranischen Revolutionsgarden (IRGC) viele Jahre zurückreichen soll.

Diese Milizen haben sich in den vergangenen Jahren Verdienste im Kampf gegen den "Islamischen Staat" im Irak erworben, als PMF (Popular Mobilization Forces), zu denen allerdings auch sunnitische Verbände und schiitische Gruppen gehören, die sich nicht dem Iran und dessen geistlichem Führer Ali Khamenei verbunden fühlen. Nach dem Ende des IS steht der Irak nun vor einer entscheidenden Richtungsfrage: Werden die Schiitenmilizen in die Armee integriert – oder entwickelt sich nach Muster der iranischen Revolutionsgarden eine Art Parallelarmee auch im Irak?

Nominell Teil der Armee

Nominell sind die PMF zwar unabhängig, aber bereits Teil der irakischen Armee – konkret ist das jedoch wenig aussagekräftig. Ganz im Gegenteil, das Gesetz von 2016 macht es nur noch schwieriger, sie aufzulösen. Da Milizionäre nun wie Soldaten bezahlt werden, fehlt auch dieser Anreiz.

Der Besuch Khazalis an der libanesisch-israelischen Grenze zeigt auf, worum es politisch geht: Die Iran-affiliierten irakischen Milizen fühlen sich dem iranischen Projekt der "Achse des Widerstands" zugehörig. Sie wollen den Irak zum Teil dieser Achse machen und sind auch bereit, außerhalb des Irak einzugreifen. Ihr Oberkommandierender sitzt in Teheran: Khamenei.

Der wichtigste schiitische Ayatollah des Irak hingegen, Ali Sistani, der 2014 angesichts des IS-Siegeszug zur Mobilisierung aufrief, drängt auf die Auflösung der Milizen. Der einstmals junge und wilde Schiitenführer Muqtada al-Sadr folgt ihm: Vor wenigen Tagen rief er seine Miliz, die Saraya al-Salam (Friedensbrigaden), auf, ihre Waffen abzugeben. Mahnungen, dass es nach dem Sieg über den IS die Milizen nicht mehr brauche, kommen auch aus dem Ausland, etwa von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron oder von CIA-Chef Mike Pompeo.

Abadi-Liste brüchig

Denn ihr nächster Schritt wird jener in die Politik sein. Dass Militärpersonal offiziell davon ausgeschlossen ist, kümmert die Milizenführer wenig: Sie sind immer das, was sie gerade sein wollen.

Premier Haidar al-Abadi versucht, den Milizen den Weg zu den Parlamentswahlen im Mai 2018 abzuschneiden. Aber es sieht immer mehr danach aus, als würde ihm das nicht gelingen. Abadi scheint von der Leistung seiner Regierung, den IS besiegt zu haben, kaum politisch profitieren zu können: Seine "Rechtsstaat"-Wahlliste ist brüchig.

Abadis schärfster Konkurrent ist sein Vorgänger Nuri al-Maliki, der sich den Milizen angedient hat: Er hatte im Frühjahr 2014 die Wahlen gewonnen, musste aber gehen, weil seine antisunnitische Politik für den Aufstieg des IS mit verantwortlich gemacht wurde – abgesehen vom Desaster der Armee bei der Ergreifung Mossuls durch den IS im Juni 2014.

Als möglicher Premierkandidat wird auch Hadi al-Amiri gesehen, Generalsekretär der Badr-Organisation/-Milizen: Auch er steht traditionell dem Iran nahe. Ein unter ihm geeinter politischer Block könnte aus den Wahlen siegreich hervorgehen. Viele befürchten, dass das alle internen Versöhnungsversuche im Irak zunichtemachen würde. (Gudrun Harrer, 13.12.2017)