Maria Vassilakou: "Viele, die Mindestsicherung beziehen, verdienen trotz Arbeit zu wenig, sind Langzeitkranke oder Mindestrentner. Ich werde mit Zähnen und Klauen dieses letzte Auffangnetz verteidigen."

Foto: Matthias Cremer

STANDARD: Auf der grünen Landesversammlung wurde die Neuerung der Partei beschlossen. Wo soll diese hinführen?

Maria Vassilakou: Mit den 75 Prozent, die mir das Vertrauen ausgesprochen haben, ist wieder Stabilität eingekehrt. Ich kann meinen Job als Vizebürgermeisterin gestärkt wahrnehmen. Es steht eine personelle Neuaufstellung an, alle in Führungsverantwortung, allen voran ich, stehen zur Disposition. Die nächsten Monate werden zeigen, wohin die Reise geht.

STANDARD: Werden Sie die Grünen in die Wahl 2020 führen?

Vassilakou: Ich werde kommendes Jahr 50, bin mit 23 zu den Grünen gekommen, habe also mehr als mein halbes Leben in dieser politischen Familie verbracht. Ich werde immer das tun, was das Beste für die Grünen ist. Ich werde zur Verfügung stehen, solange man mich braucht. Wenn das nicht mehr so ist, werde ich mich verändern.

STANDARD: Die Liste Pilz will bei der Wien-Wahl kandidieren. Wie gehen Sie damit um?

Vassilakou: Die Liste Pilz hat gerade mit eigenen Problemen zu kämpfen. In Niederösterreich hat sie die nötigen Unterschriften nicht zuwege gebracht. Und wir Grüne haben bis zur Wahl unsere Arbeit in Wien zu leisten.

STANDARD: Aktuelle Umfragen zeigen, dass sich in Wien erstmals Blau-Schwarz ausginge. Den Grünen werden desaströse Werte prognostiziert. Was bedeutet das für die Arbeit der Stadtregierung?

Vassilakou: Das verwundert mich nicht. Die SPÖ steckt seit mehreren Monaten in der Nachfolgediskussion, und auch wir haben mit unseren internen Diskussionen nicht gerade ein Wählerrückholprogramm geliefert. Aber diese Umfragen werden sich sehr bald ändern, wenn die schwarz-blaue Bundesregierung die Drohungen, mit denen sie bereits im Wahlkampf gegen Wien gearbeitet hat, umsetzt. Die ersten Vereinbarungen zeigen, wo die Reise hingeht: finanzielles Aushungern Wiens, Vernichtung der Rechte von Arbeitern und Angestellten, im Schulbereich das Zurückfallen in die Rohrstaberlpädagogik des 19. Jahrhunderts.

STANDARD: Was bedeutet das für Wien?

Vassilakou: Wien wird alle Hände voll zu tun haben. Dafür wird es eine gute Zusammenarbeit zwischen Rot und Grün brauchen. Es geht darum, den kostenlosen Kindergarten zu verteidigen, oder die günstige Öffi-Jahreskarte. Und es geht darum, dafür zu sorgen, dass in Wien im Winter niemand auf der Straße schlafen muss. So lange Rot-Grün in Wien regiert, wird das nicht passieren. Wehe dem Tag, an dem in Wien Schwarz-Blau nur ein Wörtchen zu reden hat.

STANDARD: Die Verhandler von ÖVP und FPÖ wollen eine bundeseinheitliche Regelung bei der Mindestsicherung, notfalls über ein Rahmengesetz, dem die Länder folgen müssten. Was heißt das für Wien?

Vassilakou: Wenn Eines Wien ausmacht, dann der Zusammenhalt und, dass jeder Wiener weiß, dass man hier keine Angst vor der Verarmung haben muss. Wir werden es nicht zulassen, dass Menschen in unserer Stadt Angst haben müssen. Wir werden gegen den sozialen Kahlschlag mit aller Kraft kämpfen. Wie auch immer

STANDARD: Auch rechtlich?

Vassilakou: Selbstverständlich.

STANDARD: Sie treten für eine Erhöhung der Mindestsicherung ein ...

Vassilakou: Sozialexperten weisen darauf hin, dass die Mindestsicherung unter dem Existenzminimum liegt. Dass wir nicht über die finanziellen Mittel verfügen, die Mindestsicherung zu erhöhen, ist klar. Diejenigen, die den Ärmsten noch den Mantel wegnehmen wollen, sollten die Fakten kennen

STANDARD: Also keine Kürzungen?

Vassilakou: Solange wir dafür sorgen können, wird es keine geben.

STANDARD: Die Bezieher der Mindestsicherung haben sich in den vergangenen sieben Jahren fast verdoppelt, ebenso die Ausgaben. Wird zu wenig getan, um die Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren?

Vassilakou: Im Gegenteil. Viele, die Mindestsicherung beziehen, verdienen trotz Arbeit zu wenig, sind Langzeitkranke oder Mindestrentner. Ich werde mit Zähnen und Klauen dieses letzte Auffangnetz verteidigen.

STANDARD: Andreas Schieder, der Michael Häupls Nachfolger werden will, kann sich eine Wartefrist bei der Mindestsicherung für Zugezogene vorstellen. Sie auch?

Vassilakou: Weder Bürgermeister Michael Häupl noch ich können uns das vorstellen. Schlussendlich gilt abzuwarten, wen die SPÖ zum Bürgermeister kürt.

STANDARD: Auch Stadtrat Michael Ludwig bewirbt sich um den Bürgermeisterposten. Haben Sie einen Favoriten?

Vassilakou: Ja. Aber den werde ich nicht verraten, denn das wäre eine Einmischung in die SPÖ-Interna.

STANDARD: Ihr Landessprecher Joachim Kovacs hat gefordert, sich von der SPÖ stärker abzugrenzen. Etwa beim Lobautunnel. Sie haben Alternativen angekündigt, gibt es die?

Vassilakou: Der Bericht der Experten, die Alternativen prüfen, wird demnächst vorliegen. Ich halte einen Tunnel, der tausende Autos unter dem Nationalpark durchschleust, für gefährlich, nicht nur im Sinne des Naturschutzes. Es ist ein Hoch risikoprojekt, das zum Milliardengrab werden könnte. Das Gericht prüft die Umweltverträglichkeit des Projekts, ein Urteil ist in der ersten Jahreshälfte 2018 zu erwarten.

STANDARD: Gibt es grünes Licht von Ihnen, wenn das Gericht es gibt?

Vassilakou: Ich kenne keinen Grünen, der das Projekt gut findet. Den Umgang mit der Gerichtsentscheidung werden wir gemeinsam entscheiden müssen.

STANDARD: Die SPÖ will den Tunnel aber unbedingt.

Vassilakou: Das wussten wir und die SPÖ, als wir diese Koalition eingegangen sind. Wir sagten damals: "Durch diesen Tunnel werden wir gehen, wenn wir dort angekommen sind." Es könnte sein, dass wir im Frühjahr soweit sind.

STANDARD: Der grüne Verkehrssprecher Rüdiger Maresch forderte Anfang des Jahres Umweltzonen in Wien. Wie steht es darum?

Vassilakou: Im Frühjahr wird die Machbarkeitsstudie vorliegen. Ich werde dann alle politischen Kräfte einladen, damit wir gemeinsam gegen giftige Abgsase in unserer Luft vorgehen. Und ich werde gerne auch Vorschläge von anderen Parteien umsetzen, sofern diese zum Ziel führen. Umweltzonen sind nur einer der Wege. (Oona Kroisleitner, 10.12.2017)