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Von rechts nach links: Der griechische Premier Alexis Tsipras, Präsident Prokopis Pavlopoulos, sein türkischer Amtskollege Tayyip Erdogan mit Ehefrau Emine Erdogan beim Dinner im Präsidentenpalast in Athen.

Foto: REUTERS/Costas Baltas

Als Tayyip Erdogan in seine Maschine steigt und zum zweiten Teil seiner Reise aufbricht, lässt er die griechischen Politiker in Athen ratlos und verwundert zurück. Der erste Besuch eines türkischen Präsidenten im Nachbarland in 65 Jahren wurde rasch ein Misserfolg.

"Warum hat er diese Reise gemacht, wenn es nur darum ging, öffentlich vor Kameras zu attackieren?", fragte sich am Freitag Kostas Karagounis, ein führender Politiker der konservativen Opposition. Er zollte dem griechischen Präsidenten und dem linken Premier ein ungewöhnliches Lob. Die Antworten von Prokopis Pavlopoulos und Alexis Tsipras seien gut gewesen. "Die Einschüchterung hat nicht geklappt" titelte auch eine griechische Tageszeitung nach dem Schlagabtausch vom Donnerstag über den Vertrag von Lausanne von 1923 und die Grenzziehung zwischen der Türkei und Griechenland. Erdogan habe eine "Lehrstunde in Menschenwürde und Geschichte erteilt", meldete dagegen eine türkische Zeitung auf ihrer Titelseite.

Dabei hatten die Griechen eine Entspannung in den Beziehungen der beiden Länder von Erdogans Besuch erwartet. Auch ein Signal an die EU sollte die Reise wohl sein, so wurde vermutet: Nach Ausnahmezustand und diplomatischen Krisen mit einigen Hauptstädten in der EU sucht Ankara nun den Dialog. Schließlich sei es ja die Türkei, die isoliert ist, und Erdogan habe sich den Termin für den Besuch ausgesucht, stellte Thanos Dokos, der Leiter des Athener Thinktank Eliamep, fest.

Inseln "in Rufweite"

Geworden ist daraus nichts. Die griechische Regierung, die als eine der wenigen in der Union konsequent einen EU-Beitritt der Türkei unterstützt, sah sich mit der Forderung nach einer Revision des Lausanne-Vertrags konfrontiert. Vor einem Jahr sprach Erdogan schon einmal von den Inseln "in Rufweite" vor der türkischen Küste und "von unseren Moscheen". In Athen forderte er nun erneut eine Überarbeitung des alten Vertrags und sprach von "Unklarheiten". Ungerecht angewandt würde der Vertrag zudem. Die türkische Minderheit in Griechenland hätte weniger Rechte als die griechische in der Türkei; sie sei auch wirtschaftlich schlechtergestellt. Der griechische Präsident widersprach: Der Vertrag sei nicht verhandelbar. Er sei etwas ratlos, was Erdogan genau mit einer Modernisierung und Aktualisierung des Vertrags meine, sagte Tsipras während eines Auftritts vor der Presse. Erdogan stand mit versteinerter Miene daneben.

Der türkische Präsident besuchte am Freitag die muslimische Minderheit in Thrakien in Nordgriechenland. Ihr Status ist im Lausanne-Vertrag geregelt. Vom Europarat wird Griechenland weiterhin wegen der Zurücksetzung der Bevölkerungsgruppe von Türken, Pomaken und Roma gerügt. Athen will andererseits nun die dortige Anwendung der Scharia im Familien- und Erbrecht nicht mehr verpflichtend machen. Erdogan schlug erneut harte Töne an. Der griechische Staat dürfe "meine Landsleute" nicht assimilieren, sagte er. Man erwarte zudem die Umsetzung von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. (Markus Bernath aus Athen, 9.12.2017)