Bild nicht mehr verfügbar.

ÖVP und FPÖ wollen längere Arbeitstage möglich machen. Verhandeln sollen das nicht die Sozialpartner, sondern die Betriebsräte – gibt es keine, wie in knapp der Hälfte aller österreichischen Betriebe, sollen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber darüber verständigen.

Foto: Reuters/ebenbichler

Was planen ÖVP und FPÖ?

Unter dem Stichwort "Arbeitszeitflexibilisierung" haben sich die Koalitionsverhandler darauf geeinigt, bis zu zwölf Stunden Arbeitszeit pro Tag und 60 Stunden pro Woche gesetzlich zu ermöglichen. Der Betriebsrat muss zustimmen oder, wenn es keinen Betriebsrat gibt, Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine entsprechende Vereinbarung treffen. Von der Wochenend- und Feiertagsruhe soll es auf Betriebsebene maximal viermal im Jahr eine Ausnahme geben. Die tägliche Ruhezeit im Tourismus soll von elf auf acht Stunden sinken.

Heißt das, ich muss künftig zwölf Stunden pro Tag arbeiten?

Nicht regulär. Die Normalarbeitszeit von acht Stunden pro Tage und die 40-Stunden-Woche bleiben bestehen. Auch in die bestehenden Kollektivverträge wollen ÖVP und FPÖ nicht eingreifen. Der gesetzliche Rahmen für die Höchstarbeitszeit wird aber erweitert. Überstundenzuschläge sollen erhalten bleiben.

Verwirrt und empört über diesen Vorstoß zeigen sich die Facebook-Fans von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. "Die Arbeitnehmer will man anscheinend versklaven, dafür wurdet ihr nicht gewählt", schrieb eine Posterin. Ein anderer User wandte sich direkt an Strache: "Lieber HC, was soll das. willst du uns deine Wähler wieder vertreiben. Eine Politik gegen uns Arbeiter. (..) schwache Leistung, schwacher HC."

Wie viele Unternehmen in Österreich haben Betriebsräte?

Diese Zahl ist erstaunlich niedrig. Nur knapp die Hälfte aller österreichischen Unternehmen (49 Prozent, Stand 2016) haben Betriebsräte, also Personen, die auf betrieblicher Ebene für die Einhaltung der Arbeitnehmerrechte sorgen. Auf überbetrieblicher Ebene sind dafür Arbeiterkammer und Gewerkschaft zuständig.

Wie viele Stunden dürfen Österreicher derzeit täglich arbeiten?

Die Höchstarbeitszeit liegt bei zehn Stunden pro Tag, eine längere Arbeitszeit ist in Ausnahmefällen aber erlaubt. Dazu zählen Schichtarbeit, Verlängerung der Arbeitszeit bei Bereitschaftsdiensten und Überstunden bei besonderem Arbeitsbedarf – der aber nur vorübergehend anfallen darf. Auch bei Überstunden in einer Viertagewoche sind zwölf Stunden tägliche Arbeitszeit zulässig, an den übrigen drei Wochentagen darf dann nicht gearbeitet werden. Die wöchentliche Höchstarbeitszeit darf derzeit 50 Stunden nicht überschreiten, auch hier gibt es Ausnahmen bei Schichtarbeit, Rufbereitschaft und erhöhtem Arbeitsbedarf. Gedeckt müssen all diese Ausnahmen aber vom Kollektivvertrag beziehungsweise der Betriebsvereinbarung sein.

Die Arbeitszeitflexibilisierung ist schon lange Thema. Warum gab es bisher keine Einigung?

Die Forderung nach flexibleren Arbeitszeiten ist nicht neu, auch Noch-Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hat in seinem roten Wahlprogramm Plan A den Wunsch nach einem Zwölf-Stunden-Arbeitstag vermerkt. Die Freiheitlichen hatten diese Forderung übrigens gar nicht in ihrem Wirtschaftsprogramm, das erst im August vorgestellt wurde. Der Unterschied zwischen den sozialdemokratischen Plänen und der türkis-blauen Einigung liegt im Detail: Kurz und Strache wollen verlängerte Arbeitszeiten auf Betriebsebene verankern, indem sie ebendiese stärken. Die rot-schwarze Regierung wollte das eine Ebene höher festlegen, sodass die Sozialpartner dem zustimmen müssen und auch die Regelung verhandeln. Wenig Freude hatte damit vor allem die Arbeiterkammer. Deren Präsident Rudolf Kaske kann sich zwar grundsätzlich flexiblere Arbeitszeiten vorstellen, aber der Zwölfstundentag dürfe nicht zur Regel werden oder an die Stelle von Überstundenzahlungen treten. Obwohl sich die rot-schwarze Regierung bis zum Sommer auf die Flexibilisierung einigen wollte, gelang ihr das schließlich nicht.

Was bedeutet das für mich als Arbeitnehmer? Verdiene ich weniger?

Der türkis-blaue Vorschlag könnte sehr wohl massive Auswirkungen auf das Einkommen der Arbeitnehmer haben, befürchtet Walter Pfeil, Professor für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Salzburg: Verpflichtende Abgeltungen von Überstunden könnten aufgeweicht werden. Laut EU-Recht ist die wöchentliche Arbeitszeit ja auf 48 Stunden beschränkt, nur in Ausnahmen sind 60 Wochenstunden möglich. Ist der Durchrechnungszeitraum lange genug, können Überstunden eins zu eins, also als Zeitausgleich, abgebaut werden – der Überstundenzuschlag entfällt, erläutert Pfeil. Die Flexibilisierung der Arbeitszeit war bisher durch Kollektivverträge geregelt, damit Überstunden auch mit Mindestentgelten verknüpft werden können. Wird das nun den einzelnen Betrieben überlassen, "fällt die Ausgleichsmöglichkeit durch ein zwingendes Mindestentgelt weg", so der Experte. (Marie-Theres Egyed, Lisa Kogelnik, 7.12.2017)