Tut die Politik nichts, wird aufgrund des Entscheids der Verfassungsrichter ab 2019 nicht nur die Ehe für alle geöffnet, sondern auch die bisher nur für gleichgeschlechtliche Paare vorgesehene eingetragene Partnerschaft.

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Wien – Nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare blieb am Mittwoch offen, ob die Politik ihre Handlungsoptionen ergreift. Die SPÖ plädierte dafür, die Gleichstellung schon vor dem vom Gericht gesetzten Termin 1. Jänner 2019 umzusetzen. Die ÖVP hielt sich bedeckt, die FPÖ gab sich abwartend.

Tut die Politik nichts, wird aufgrund des Entscheids der Verfassungsrichter 2019 nicht nur die Ehe für alle geöffnet, sondern auch die bisher gleichgeschlechtlichen Paaren vorbehaltene eingetragene Partnerschaft. Ob ÖVP und FPÖ das wollen, blieb offen. Bei den Freiheitlichen zeigte sich zumindest eine Tendenz: Ihr Verfassungssprecher Harald Stefan bezeichnete die eingetragen Partnerschaft im ORF-"Morgenjournal" am Mittwoch als "jetzt dann offenbar sinnlos", weil sie der Ehe beinahe gleichwertig sei. Priorität habe das aber nicht, eine Entscheidung schon in der nächsten Nationalratssitzung bezweifelt Stefan.

Schieder will Umsetzung Ende Jänner

Der geschäftsführende SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder drängt hingegen darauf, das Erkenntnis der Richter schon früher umzusetzen. "Die SPÖ hat bei der ersten Nationalratssitzung im November einen Antrag im Parlament eingebracht. Diesen könnten wir bald in einem Justizausschuss beraten und Ende Jänner im Plenum beschließen", kündigte Schieder am Mittwoch an.

Der SPÖ-Antrag sieht ein Auslaufen der eingetragenen Partnerschaft vor. Für eine Diskussion darüber sei man aber offen, hieß es im roten Parlamentsklub.

Schieder erkennt Sinneswandel in Teilen der ÖVP

Schieder sieht auch einen Sinneswandel in Teilen der ÖVP, weil sich deren ehemaliger Bundespräsidentschaftskandidat Andreas Khol im ORF-"Report" am Dienstag offen für einen früheren Zeitpunkt der Eheöffnung zeigte: "Wenn Andreas Khol dafür ist, sollte VP-Obmann Kurz nicht länger blockieren. Beenden wir gemeinsam endlich diese Diskriminierung", fordert Schieder.

In der ÖVP wollte man sich allerdings nicht festlegen, am Mittwoch wurde erneut auf das am Dienstag ausgegebene Wording verwiesen. "Höchstgerichtliche Urteile sind stets zu akzeptieren und nehmen wir zur Kenntnis", lautet dieses. Die weitere Vorgangsweise werde man erst besprechen.

Verhandlungsklima nicht belastet

Die Öffnung der Ehe soll jedenfalls keine Auswirkungen auf eine ÖVP-FPÖ-Koalition haben, versicherten Vertreter beider Parteien am Mittwoch vor einer weiteren Verhandlungsrunde. Beide traten in der Vergangenheit gegen die Ehe für alle auf, die ÖVP hatte aber 2009 die eingetragene Partnerschaft mitbeschlossen. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl warf ihr deshalb "doppeltes Spiel" vor.

FPÖ-Verhandler Norbert Hofer meinte am Mittwoch, dass die Entscheidung von 2009 erst zur aktuellen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs geführt habe. "Das war keine kluge Entscheidung. Ich möchte Sebastian Kurz nicht den Schwarzen Peter zuschieben, aber die ÖVP hat eine Mitverantwortung." Es werde deshalb aber zu keinen Brüchen oder Verzögerungen in den Verhandlungen kommen.

ÖVP-Verhandler Gernot Blümel wiederholte die Parteilinie, wonach die Entscheidung zu akzeptieren und die weitere Vorgangsweise zu besprechen sei. Auch in der FPÖ nehme man die Entscheidung des Höchstgerichts zur Kenntnis. Eine Zweidrittelmehrheit zur Rücknahme ist laut Hofer "nicht in Sicht".

Caritas-Präsident lobt Urteil

Die Ehe-Öffnung für Homosexuelle stößt in christlichen Kreisen nicht nur auf Kritik. Bei den Katholiken hat sich Kardinal Christoph Schönborn zuletzt zwar ablehnend gezeigt, die Katholische Aktion äußerte sich aber differenzierter, und Caritas-Präsident Michael Landau lobte gar den Verfassungsgerichtshof. Auf evangelischer Seite begrüßte Bischof Michael Bünker die Entscheidung.

Landau zeigte für katholische Kreise recht deutlich seine Zustimmung. "Gerichte sprechen Recht. Ihr untadeliger Ruf und ihre Integrität sind in einer Demokratie von höchster Bedeutung. @KlausSchwertner hat völlig recht: Es gibt viele gute Gründe, gerade in fordernden Zeiten auf den #VfGH ein Bier zu trinken", twitterte er noch am Dienstag, dem Tag der Höchstgerichtsentscheidung.

Am Mittwoch übte die Präsidentin der Katholischen Aktion Österreich, Gerda Schaffelhofer, hingegen Kritik an der "politischen Handschrift" des VfGH. Gleichzeitig gestand sie angesichts der Reaktionen auf den Entscheid ein, "dass offenbar auch viele Katholiken die kirchliche Auffassung vom Wesen der Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau mit der prinzipiellen Möglichkeit, gemeinsame Kinder zu zeugen, nicht mehr uneingeschränkt teilen". Für den katholischen Familienverband kritisierte Präsident Alfred Trendl, dass die Offenheit für die Zeugung gemeinsamer Kinder als "Wesen der Ehe" negiert werde.

Vorbehaltlos positiv fiel hingegen die evangelisch-lutherische Reaktion aus. "Dass auch für gleichgeschlechtlich liebende Menschen, die den Wunsch nach einer lebenslang verbindlichen Partnerschaft haben, der rechtliche Raum nun vollständig geöffnet wird, in dem Vertrauen, Verlässlichkeit und Verantwortung durch gesetzliche Regelungen geschützt und unterstützt werden, ist aus meiner Sicht zu begrüßen", so Bischof Bünker in einer Aussendung.

Die Bedeutung der Ehe zwischen Mann und Frau, die für den christlichen Glauben hoch einzuschätzen sei, werde dadurch keineswegs geschmälert. Bünker: "Im Gegenteil – sie wird noch einmal unterstrichen."

Lambda will eingetragene Partnerschaft beibehalten

Rechtsanwalt Helmut Graupner vom Rechtskomitee Lambda, der die Eheöffnung federführend betrieben hat, sprach sich für die Beibehaltung der eingetragenen Partnerschaft aus. Dass sich dann auch Hetero-Paare dafür entscheiden können, bedeute einen Zuwachs an Wahlfreiheit, meinte er unter Zuhilfenahme eines der politischen Lieblingsbegriffe der ÖVP. Eine zweite Option neben der Ehe passe ins 21. Jahrhundert, Graupner verweist dabei etwa auf den Zivilpakt in Frankreich.

Stimmen für generelle Reform des Eherechts

In Justizkreisen werden indes Stimmen laut, die eine generelle Reform des Eherechts fordern. Österreichs Eherecht sei nämlich "ein Nazigesetz aus dem Jahr 1938", das dringend erneuert gehöre, sagt ein hochrangiger Jurist der APA. In ganz Europa sei das Verschuldensprinzip bei der Scheidung bereits abgeschafft, das die Ex-Partner nach der Trennung zum "Schmutzwäschewaschen" zwinge. Ehe-, Scheidungs- und Unterhaltsrecht nach der Ehe seien Baustellen, die endlich anzugehen seien. Die eingetragene Partnerschaft parallel bestehen zu lassen bringe wenig, weil die Unterschiede zur Ehe zu marginal seien. (APA, red, 6.12.2017)